Edlen Barolo und ein edles Menü gab es beim ersten Weinabend im Sterne-Restaurant Hegel Eins – sowie ein paar Lektionen für die Gäste.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Jan Tomasic ist selbst etwas verwundert: Einen Weinabend hat er noch nie in seinem Restaurant Hegel Eins im Stuttgarter Völkerkundemuseum veranstaltet. „Dabei gibt es eigentlich nichts Naheliegenderes“, sagte er. Zumal der Gastronom mit seinem Lokal „schnurstracks“ auf das 20-Jahr-Jubiläum zumarschiert, das 2027 ansteht. Seit zwei Jahren ist es mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Zum Auftakt stand dafür gleich Barolo und ein großer Name auf dem Menü. Eigentlich hätte Marco Parusso sich und seine Weine aus dem Piemont selbst in Stuttgart vorstellen sollen, doch ein Unfall auf dem Weg bremste ihn aus. Der Weingutsbotschafter Pino Sassano, seit Jahrzehnten beim Stuttgarter Wein-Importeur Fischer und Trezza tätig, übernahm deshalb diese Aufgabe. Er räumte dabei mit einigen Wein-Mythen auf.

 

Spumante – mal nicht süß und billig

Spumante sei „ein furchtbares Wort“, erklärte der Fachmann zum Beispiel, „da denkt man an süß und billig“. Billig ist der Schaumwein von Marco Parusso jedenfalls nicht bei rund 40 Euro pro Flasche, außerdem ist er trocken ausgebaut. Die Barolo-Traube Nebbiolo hat der Winzer dafür verwendet sowie das Champagner-Verfahren, 100 Monate bleibt er auf der Hefe liegen. Überhaupt schlug er für den Familienbetrieb in vierter Generation einen neuen Weg ein, riss die alte Kellerei ab und brachte alles auf den neuesten Stand der Technik. Seine Trauben kühlt er nach der Lese einige Tage bevor er sie presst, lässt sie drei Monate auf der Maische liegen und benutzt zur Reifung des Barolos neue Barriques. Saubere, klare Weine seien das Ergebnis, schwärmte Pino Sassano, mit einem „feinen Fruchtaroma“ – und ohne Nebengeschmack.

Braten und Polenta – typisch piemontesisches „Soul Food“, befand der Weinbotschafter Pino Sassano. Foto: Kathrin Haasis

Der Küchenchef Felix Herp begleitete die edlen Tropfen mit vom Piemont inspiriertem „Soul Food“. Zu einem Sauvignon blanc von Marco Parusso servierte er Spaghetti aus rohem Thunfisch in einer cremigen Soße. Dann gab es ein Bouillabaisse-Risotto, das perfekt al dente war, wie es sich laut Pino Sassano der Italiener wünscht – und richtig „umami“ hatte, passend zum Rovella Langhe Bianco. Mit Rinderbäckchen in einer kräftigen Jus, Polenta in Form eines Maiskolbens und gegrillten Zucchini sowie Auberginen in Miniformat parierte er die Hauptdarsteller des Abends. Der Weinbotschafter schenkte unter anderem den Barolo Perarmando, Jahrgang 2020, aus sowie den„Barolo Mosconi“ aus dem Jahr 2019. Den Spitzentropfen „Bussia Riserva Oro“ aus dem Jahr 2012, der für rund 200 Euro die Flasche gehandelt wird, gab’s noch als Tüpfelchen auf dem i. Vom Burgund seien die Barolos von Marco Parusso geprägt, der seinem Vater Armando gewidmete Wein dufte entsprechend nach Süßkirsche und Walderdbeere, schwärmte er.

Pino Sassano erteilte dazu den Gästen eine weitere Lektion: „Je kühler der Rotwein, desto besser“, erklärte er und kritisierte, dass man beim Roten noch immer in „einer Old School-Welt“ lebe. Zimmertemperatur beim Wein sei ein „No-Go“, da sie im Winter stets über 20 Grad und im Sommer noch viel höher liege. „Wenn es nicht schmeckt, ist es Barolo“, machte er sich außerdem über die traditionell hergestellten Weine der Region lustig, die in uralten Holzfässern reifen würden. Das führt seiner Meinung nach zu einem schlechten Geruch, einem Geschmack nach Schweiß, bitteren und herben Noten. Dass sie jahrelang gelagert werden müssten, bevor sie trinkbar seien, hält er für den falschen Ansatz: „Große Barolos müssen immer gut sein“, sagte Pino Sassano. Marco Parusso vertrete dagegen eine neue Schule im Piemont, wo „Steinzeit-Techniken“ noch stark verbreitet seien. Jung und alt seien seine Barolos trinkbar, weil das Lesegut dafür in einem perfekten Zustand gewesen sei. Im Hegel Eins bestätigten am Ende des ersten Weinabends zahlreiche leere Magnum-Flaschen seine Thesen.