Die Gewinner und Gewinnerinnen des Ehrenamtspreises Stuttgarter/in des Jahres haben bei einem Festakt ihre Preise erhalten. Erstmals konnte wieder gemeinsam gefeiert werden.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Das Ehrenamt ist angesichts des Krieges in der Ukraine so aktuell wie nie! Das betonte Andreas Haas, Vorstand bei der Volksbank Stuttgart, am Mittwochabend in seiner Begrüßung zur Preisverleihung Stuttgarter und Stuttgarterin des Jahres. Als Gastgeber und als Geldgeber für die mit je 3000 Euro dotierte Auszeichnung erinnerte er daran, dass viele Gewinner nicht hier seien. Nämlich die Gesellschaft selbst, die durch diejenigen, die im Verborgenen wirkten, einen so großen Gewinn habe. „Die Ehrenamtlichen machen Stuttgart ein Stück lebens-und liebenswerter.“

 

„Unbezahlbare Helden des Alltags“

Oberbürgermeister Frank Nopper rief dazu auf: „Bleiben Sie aktive Bürger!“ Die Ehrenamtlichen seien „unbezahlbare Helden des Alltags“ und gerade in der derzeitigen durch Putin verursachten Krise zeige sich: „Das Ehrenamt ist immer wichtig. In Krisenzeiten ist es unverzichtbar.“ Er spielte damit auf das große Engagement an, das Ehrenamtliche aktuell bei der Aufnahme und Versorgung Geflüchteter zeigen. „Einsatz, Hoffnung, Respekt und Ehrgeiz“ – so wolle er den Begriff „Ehre“ buchstabieren, sagte der OB.

„Sie sind der Kitt der Gesellschaft“, charakterisierte der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Joachim Dorfs, die Leistung der rund 160 000 Ehrenamtlichen in der Landeshauptstadt. Es sei der StZ stets ein Herzensanliegen, darüber zu berichten, was alles möglich sei. Die Verleihung dieses Preises sei für ihn persönlich „einer der schönsten Termine des Jahres“. Dorfs dankte den Patinnen und Paten der Nominierten. Durch ihre Vorschläge werde der Preis zum Leben erweckt. Sein Dank ging auch an alle diejenigen, die nicht auf die ersten drei Plätze gewählt wurden. Zum ersten Mal in der Geschichte des Ehrenamtspreises, der seit 2014 verliehen wird, stimmten die Leserinnen und Leser in einem Online-Voting über die Preisträger ab. Die Abstimmung im Februar fand ein großes Echo: 6500 Stimmen wurden abgegeben.

Serkan Eren kam direkt aus Kiew zurück

Flucht und die Hoffnung auf eine bessere Welt waren auch das musikalische Thema des Duos Thabilé und Steve Bimamisa, das den Festakt begleitete. StZ-Lokalchef Jan Sellner führte durch den Abend und zeigte sich berührt davon, dass diese Veranstaltung „in einer Zeit stattfindet, die man sich vor ein paar Wochen noch nicht hätte vorstellen können und in der notgedrungen viele Ehrenamtliche über sich hinauswachsen“.

In seiner Laudatio auf Serkan Eren, der für die von ihm 2016 gegründete Hilfsorganisation Stelp ausgezeichnet wurde, wies Sellner darauf hin, was ausgehend von einer spontanen Aktion entstehen kann – ein Netzwerk der Hilfe. 250 Stelp-Helferinnen und -Helfer engagieren sich heute in Krisenregionen. In dem von Stelp betriebenen Café Natan in der Katharinenstraße, dessen Einnahmen gespendet werden, sind ebenfalls Ehrenamtliche aktiv.

Eren war erst wenige Stunden vor der Preisverleihung von einem humanitären Einsatz aus der umkämpften ukrainischen Hauptstadt Kiew zurückgekehrt – übernächtigt, aber voller Energie. Er hatte Medikamente dorthin gebracht und verteilt sowie eine Frau und ihre behinderte Tochter aus der Gefahrenzone geholt. Seine Eindrücke schildert er in bewegten Worten. „Ich danke dafür, dass uns die Stuttgarter Zeitung immer unterstützt hat. Ohne sie wären wir heute nicht da, wo wir sind“, sagt er in seiner Dankesrede. Auch der frühere VfB-Spieler Timo Hildebrand habe Stelp von Anfang an finanziell geholfen und manche Tür geöffnet. Mit Blick auf die guten Lebensverhältnisse in Stuttgart betonte Eren, es sei ein Geschenk, hier leben und gestalten zu können.

Mut und Organisationstalent für Projekte

Preiswürdig fanden die Leserinnen und Leser auch das betont lokale Engagement von Luisa Händle. Sie hat den ursprünglichen Männerchor Berger Plätzle wiederbelebt und runderneuert: Heute sind es drei Chöre, und das Plätzle ist ein Treffpunkt im Stuttgarter Osten. „Sie haben das auf zupackende und geniale Weise gemacht“, würdigte Juror Klausjürgen Mauch von der Evangelischen Gesellschaft die Leistung der Preisträgerin. „Danke für diese gelungene Nachbarschaft.“

„Einfach loslegen. Dazu gehören Mut und Organisationstalent.“ Das haben Anne Blumers und Anna Butters mit ihrer Aktion „Wir testen“ bewiesen, staunte Jurorin Dagmar Mikasch-Köthner, die Direktorin der Volkshochschule, über den spontanen Einsatz der beiden Frauen, die im März 2021 auf eigenes Risiko eine private Corona-Teststation eingerichtet hatten. „Sie haben mit ihrem wahrhaft ansteckenden Engagement den Zusammenhalt wieder möglich gemacht.“

Brückenbauer zwischen den Kulturen

Die Jury hatte sich für die Nominierungen drei Kategorien gewählt: Innovation, Kinder-und Jugendförderung sowie Nachhaltigkeit. Mohammad Naser Rostami sprenge durch sein multiples Engagement diese Kategorisierung, erklärte Joachim Dorfs die Wahl Rostamis als Gewinner des Jury-Sonderpreises. Er wirkt durch sein vielfältiges Engagement als Brückenbauer zwischen der afghanischen und deutschen Kultur unter anderem als Trainer für behinderte Kinder.

Bei einem Raketenanschlag der Taliban wurde Rostami in seiner Heimat so schwer verletzt, dass er heute im Rollstuhl sitzt. „Als Sie nach Deutschland kamen, waren Sie ein gebrochener Mensch. Doch Sie haben sich aus diesem Tief herausgekämpft,“ sagte Volksbank-Vorstand Andreas Haas in seiner Laudatio. „Ich empfinde tiefen Respekt davor, wie Sie sich trotz harter Schicksalsschläge für andere einsetzen. Sie sind als Basketballtrainer ein Vorbild für behinderte Kinder, und Sie sind durch Ihre Sympathie und Empathie für Ihre Mitmenschen ein Vorbild für die Jury.“ Auch dafür gab es lang anhaltenden Applaus.