Die 40 Jahre gepflegte Tradition der Darstellung des Leidenswegs Christi an Karfreitag in Bad Cannstatt harrt weiter der Wiederbelebung. In diesem Jahr gabe es erneut nur eine kleine Prozession. Auf dem Marienplatz wurde an Gründonnerstag das letzte Abendmahl nach Leonardo dargestellt.

Stuttgart - Eigentlich muss eine Karfreitagsprozession kein Spektakel sein. Schon gar nicht für gläubige Katholiken, die an den Leidensweg Christi erinnern. Auch eine kleine Prozession, wie sie die vier italienischen Gemeinden in Stuttgart am Karfreitag in Bad Cannstatt veranstaltet haben, kann mit ihren Gebeten, Vorträgen aus biblischen Texten und liturgischen Gesängen eine religiöse Botschaft senden und ein Zeugnis des Glaubens sein.

 

Dennoch wünscht sich Pater Daniele Sartori, dass die Tradition einer „großen“ Karfreitagsprozession, wie sie 40 Jahre lang von der italienischen Gemeinde in Bad Cannstatt gepflegt wurde und die schon zum zweiten Mal ausfiel, eines Tages fortgeführt werden kann. In den letzten vierzig Jahren hatte sich die italienische Karfreitagsprozession rund um den Kursaal, an der regelmäßig mehr als 70 Laiendarsteller in Kostümen mitwirkten, zu einem Besuchermagneten entwickelt. Im vergangenen Jahr hieß es plötzlich: „Wir machen eine Pause.“

Noch immer fehlt ein Regisseur

Diese Pause hatte indes einen handfesten Grund, denn den italienischen Katholiken, die diesen religiösen Brauch einst aus dem Heimatland mit nach Deutschland brachten, fehlte plötzlich die kompetente religiös-dramaturgische Anleitung. „Wir hoffen, dass wir die Prozession wieder aufleben lassen können“, sagt Pater Daniele. „Wir haben aber in unseren Gemeinden niemand mehr, der diese Aufgabe übernehmen könnte.“ Sprich: Es fehlt ein Regisseur mit „Sinn für Religion und italienische Tradition“. Die Inszenierung der Via Dolorosa sei eben nicht nur ein Theaterstück, sondern ein Zeugnis des Glaubens. Solange sich niemand findet, bleiben die Kostüme und das 30 Kilogramm schwere Kreuz eingelagert. Und so beteiligten sich am Freitagnachmittag bei der kleinen Prozession von St. Rupert im Hallschlag bis zur Kirche St. Martin in der Neckarvorstadt rund 150 gläubige italienische Katholiken und auch einige wenige deutsche. Elf Holzkreuze, an denen gebetet und biblische Texte auf Italienisch vorgetragen wurden, säumten den Weg. Drei Stationen befanden sich in der Kirche St. Martin, wo ein Gottesdienst die Feier beschloss.

Ein Gottesdienst beendete auch eine Aktion, die am Gründonnerstag erstaunte Gesichter auf dem Marienplatz hervorrief. Neun Frauen und acht Männer gingen im Gänsemarsch, Klappstühle unter den Armen, die sie hinter einem orangenen Seil aufstellten. Davor wurde ein Tapeziertisch entfaltet, eingedeckt mit Tischtuch, Tellern, Gläsern, Flaschen, Trauben und Brot, das sich dreizehn Akteure schmecken ließen. Plötzlich froren ihre Bewegungen ein, alles konzentrierte sich auf die Person in der Mitte. Plötzlich knallte jemand einen Klingelbeutel auf den Tisch. Es ist Judas, der geht – und Jesus, der bleibt: Das Team von Evangelisch.de stellte das letzte „Abendmahl“ nach, das berühmte Wandgemälde von Leonardo da Vinci im Speisesaal des Mailänder Klosters Santa Maria della Grazie.

Aktion an acht Stationen

Das Tableau vivant, also das lebende Bild, ist Teil des Projekts „Mahl ganz anders“. In Stuttgart wurde das Straßentheater an acht Stationen gezeigt, von St. Maria über den Rotebühlplatz und der Hospitalkirche bis zum Rathausplatz. Den Abschluss bildete ein Gottesdienst in der Leonhardskirche. „Wir wollen bewusst machen, worum es geht“, sagte Frank Muchkinsky. Der Gründonnerstag gilt den Christen als der Tag, an dem Jesus das Abendmahl einsetzte, verraten und verhaftet wurde. Muchlinsky und sein Team arbeiten mit Kirchen und Mitspielern vor Ort. Christoph Doll, Pfarrer der Leonhardskirche, war gleich an Bord. 2018 seien zum Gründonnerstags-Gottesdienst nur zwölf Leute erschienen. „Enttäuschend. Der Tag ist mehr als ein Shoppingtermin“, sagte er.