Stuttgarter Traditionshaus steht zum Verkauf Der tragische Tod des Breuninger-Erben veränderte alles

Günther Breuninger 1959 mit seiner Mutter Dora beim 25-Jahr-Jubiläum des Textil-Großhändlers Alfred Breuninger Foto: Breuninger

Das Traditionshaus Breuninger könnte bald einen neuen Eigentümer erhalten. Die Geschichte der erfolgreichen Familie wird von einem Unglücksfall überschattet, der vieles veränderte – und bis heute nachwirkt.

Nach wie vor geben die drei Familienstämme van Agtmael, Meilicke und Seidel/Bretschneider, die heute über einen Beirat das Unternehmen mit seinen 6500 Mitarbeitenden kontrollieren, ihre Absichten nicht preis. Man wolle derzeit keine Stellungnahme zum Breuninger-Verkauf abgeben, heißt es auf Anfrage . Er könnte Milliarden einspielen. Über drei Generationen hatte die Familie die Warenhauskette seit 1881 selbst geführt. Immer übernahm der nächste Sohn. Die Kette der Erben riss durch einen tragischen Unglücksfall.

 

Der Chef, ein Patriarch

Heinz Breuninger wird als Patriarch beschrieben, als rastloser Macher, der das Unternehmen stetig weiterentwickelte. Aber auch als Mensch, der nicht loslassen konnte, sich die Tagesumsätze in den Urlaub melden und sich in vielen schlaflosen Nächten auf die Alb chauffieren ließ. Heinz Breuningers Nachfolger als Unternehmenschef wäre mit großer Sicherheit sein am 9. Mai 1944 geborener Sohn Günther geworden. Doch der katastrophale Ausgang einer Skitour in der Karwoche 1962 machte dies unmöglich.

Wegen des Todes seines Sohnes habe Heinz Breuninger noch Jahre später unter Schock gestanden, so schilderte Walther Zügel, selbst einige Jahre an vorderer Stelle im Unternehmen und danach ein Ratgeber, die Auswirkungen des tragischen Unfalls. Zügel wechselte später zur Städtischen Spar- und Girokasse Stuttgart, wurde Chef der Landesgirokasse. „In meiner Familie gibt es niemanden, der mir nachfolgen kann“, habe Heinz Breuninger nach dem Tod seines Sohnes gesagt, erinnerte sich Zügel vor acht Jahren während eines Prozesses vor dem Landgericht Stuttgart. Damals ging es um Anteile am Unternehmen, um Besitzfragen und wie heute um sehr viel Geld.

Hüttentour im Schnee

Was war im Schicksalsjahr 1962 geschehen? Mit Freunden war Günther Breuninger in der Karwoche 1962 als Teil einer Jugendgruppe der Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) zu einer Skitour ins idyllische Krimml gefahren. Am Morgen des 16. April, es war ein Montag, brach der 17-Jährige in der Frühe mit einer Gruppe junger Skibegeisterter vom Schönanger Haus im Achental auf. Man wollte zur 2360 Meter hoch gelegenen Warnsdorfer Hütte.

Die Alpenvereins-Gruppe aus Stuttgart war noch nicht allzu weit gekommen, hatte 1700 Höhenmeter erreicht, als Schneemassen über den acht jungen Leuten in Bewegung gerieten. Der Leiter der Gruppe, ein 25 Jahre alter Zoologiestudent, schilderte den Lawinenabgang wenige Tage später: „Ich ging an der Spitze. Plötzlich hatte ich ein ungutes Gefühl, und in der gleichen Sekunde hörte ich ein Zischen. Ich bekam Schnee in den Mund und glaubte zu ersticken. Die hinter mir gehenden Kameraden waren wie vom Erdboden verschluckt. Ich schickte den ältesten der Zurückgebliebenen sofort zum Schönangerlhaus zurück, um Gendarmerie und Bergwacht zu alarmieren.“

An Karfreitag Bergung weiterer Opfer

Drei der acht jungen Tourengänger waren von der 120 Meter breiten Packschneelawine verschüttet worden, zwei 19-jährige Studenten und ein 17-jähriger Oberschüler. Bei ihm handelte es sich um Günther Breuninger. Bereits um 14 Uhr waren Rettungsmannschaften aus umliegenden Orten und ein Heli im Einsatz. Sie stießen erst auf einen Skistock und Stoffreste. 15 Meter tief ließen sich die Bergretter in das Bett der Krimmler Ache abseilen. Hier fanden sie die Leiche von Günther Breuninger. Die Schneemassen hatten ihn in den Bach gerissen und dort begraben. Die Eltern der Verunglückten und ein Vorstandsmitglied des Stuttgarter Vereins fuhren noch am Montag nach Krimml.

Am Dienstag wurde die Suche fortgesetzt, zeitweise mussten die Mannschaften ihre Arbeit wegen weiterer Lawinenabgänge unterbrechen. Breuningers Kameraden, Ulrich Kessel und Karl Haist, wurden Karfreitag um 9.30 und 12.45 Uhr geborgen und nach Stuttgart überführt. Günther Breuninger war am Tag zuvor, Gründonnerstag, in Krimml beigesetzt worden. Das Grab in der 800-Seelen-Gemeinde ist inzwischen aufgelöst, das Metallkreuz steht auf der Ruhestätte seiner Mutter auf dem Waldfriedhof.

„Das hat damals ganz Stuttgart zutiefst bewegt“

Der Unglücksfall war einschneidend, führte im DAV zu Diskussionen über Verantwortung und Sicherheit. „Das hat damals ganz Stuttgart zutiefst bewegt“, sagt ein heute 84-jähriges DAV-Mitglied, das Karl Haist kannte. Natürlich habe man in der Sektion überlegt, ob man solche anspruchsvollen Touren weiterhin machen könne.

Der Tod, heißt es in einer DAV-Dokumentation, „hat in den Familien unheilbare Wunden hinterlassen“. Heinz Breuninger lernte später Willem van Agtmael kennen, der danach zu einer Art Ersatzsohn wurde. Breuninger verstarb 1980 in München an Krebs. Zuvor hatte er van Agtmael zu seinem Nachfolger ernannt. Das Erbe wollte Breuninger über eine Stiftung gesichert wissen. 2004 stimmten alle fünf Stiftungsvorstände deren Auflösung zu. Der Besitz, die Kaufhauskette, wurde durch van Agtmael und Stiftungsvorstand Wienand Meilicke für 41,1 Millionen Euro erworben.

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