Mit Joe Bauers „Flaneursalon“ geht im Hof des Theaterhauses ein gefeiertes kulturelles Comeback über die Bühne.

Stuttgart - Ein frisch gezapftes Helles, Platz für die Aperol-Spritztour, ein knackiges Salätle – und das mitten in einer Vollversammlung von Kulturfreunden. Fast surreal schien das für das Publikum zu sein, bis die Sängerin Eva Leticia Padilla die Bühne enterte: „Wir sind zurück!“ Ein eminenter Ruf der Entfesselung aus den Fängen der Pandemie, vom Beifall als leidenschaftlich gedehntes Echo zurückgespielt. Worauf Joe Bauer, prinzipiell eher nicht zu Pathos neigend, eine „neue Saison der Hoffnung“ ausrief, was der Salonchef situativ zuspitzte: „Abstand halten und in den Köpfen zusammenrücken!“

 

Seitenhieb gegen die neue Stadtspitze

Nun denn, die „Überlebensbrühe auf Vorrat“, die selbst gemachte Hühnersuppe, hatte er ausgelöffelt! Nach dem zweiten Stich. Nun also wieder Nahrhaftes schaufelweise fürs kulturell ausgehungerte Publikum, und sei es als „unwürdige Bettler-Oper“, wenn er um weitere Spenden für den Künstlernotfonds bittet – und dabei den Maßstab justiert, mit Seitenhieb gegen die neue Stadtspitze: „Kultur ist keine Imagekrücke und nicht nur Unterhaltung. Kultur ist für unsere Bildung, für das humane Miteinander und ein Instrument der Aufklärung.“ Der Flaneur Bauer geht in diesem Sinne voran. Etwa mit Reminiszenzen über den Weggefährten Wiglaf Droste, den verstorbenen, fast schon heiligen Trinker, wo es beim Sauerbraten einmal darum ging: „Richtig mampfen gegen Nazis!“ Doch Bauer buhlt nicht um Einverständnis, sondern peilt auf die Stimulierung einer Grundhaltung: „Sich die Frage nach dem eigenen zivilen Engagement zu stellen“, wie er das im Memo an den jüdischen Schauspieler Fritz Wistens nennt. Mit dem Titanicer Oliver Schmitt hat er einen Mitstreiter, der sich etwa ins „Laschet-Gehirn“ samt Auftrittsoptimierungsfantasien begibt, worauf „der Kandidat“ fast ein zweites Bier öffnet. Das Raue, Nicht-Parfümierte bietet musikalisch auch Stefan Hiss, nebst Gitarrist Dany Labana Martinez mit stahlhartem Zugriff, von der Sängerin seelenvoll überstrahlt. Nach drei Stunden der Rausschmeißer – und: „Adios, bis bald!“