Tayfun Korkut kam für Hannes Wolf: Seit dem Trainerwechsel läuft es beim VfB Stuttgart rund. Vorsicht ist dennoch angesagt – mancher Effekt ist viel zu schnell wieder verpufft. Mit teils drastischen Folgen.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Es war einmal . . .

 

. . . der VfB Stuttgart im Herbst des Jahres 2013. Der Club hatte in Thomas Schneider einen jungen Trainer, der auf junge Spieler setzte. Das Beste an der Sache: Er hatte damit auch noch Erfolg. Schneider war auf Bruno Labbadia gefolgt, der mau in die Saison gestartet war (null Punkte nach drei Spielen). Von Platz 17 hievte der damals als großes Trainertalent gepriesene Schneider den VfB innerhalb von nur sechs Wochen auf Platz sieben. Die „Welt“ schrieb: „Schneider lässt Stuttgart von Europa träumen.“ Der Kapitän Christian Gentner meinte: „Wir haben in der kurzen Zeit einen Riesenschritt nach vorne gemacht.“ Und der Coach sah sein Team „auf einem guten Weg“. Kurzum: Der Trainerwechsel hatte sich ausgezahlt.

Es war auch einmal . . .

. . . der VfB Stuttgart zu Beginn des Jahres 2016. Der Verein hatte Trainer Alexander Zorniger (zehn Punkte nach 13 Spielen, Platz 16) im November zuvor durch Jürgen Kramny ersetzt. Der hatte zwar bei seinem Debüt 1:4 in Dortmund verloren, blickte wenige Wochen später aber auf eine Serie von acht ungeschlagenen Spielen zurück. Am 22. Spieltag hatte das Team bereits 28 Punkte gesammelt. Die „Bild“ titelte: „Dieser Trainer lässt die VfB-Fans von Europa träumen.“ Der seinerzeit ambitionierte Filip Kostic meinte: „Wenn wir so weitermachen, könnten wir auch mit dem VfB nach Europa. Dann muss ich nirgendwo anders hin.“ Und der damalige Sportchef Robin Dutt sagte: „Wir werden jetzt nichts künstlich bremsen.“ Kurzum: Der Trainerwechsel hatte sich ausgezahlt.

Bei Schneider und Kramny hielt der Aufschwung nicht an

Am 29. Januar 2018 hat sich der VfB Stuttgart wieder einmal auf der Position des Cheftrainers verändert. Tayfun Korkut kam für Hannes Wolf. Und ein Blick auf die Bundesliga-Tabelle beweist, dass auch diese Maßnahme ihre Wirkung nicht verfehlt hat. Viermal ist der VfB seitdem ungeschlagen geblieben, drei Siege gab es zuletzt. Und 30 Punkte nach 24 Spielen bilden eine gute Basis, um das Thema Abstieg schnell abhaken zu können. „Wir brauchen noch sieben, acht Punkte“, rechnet Michael Reschke, der Sportvorstand des VfB, vor. Die Dinge, so scheint es, nehmen ihren (positiven) Lauf – doch Vorsicht ist geboten. Auch das lehrt der Blick zurück.

Die Ära Thomas Schneider nämlich endete trotz des Höhenflugs zu Beginn jäh. Bis März 2014 häufte dessen Team acht Niederlagen hintereinander an, nach dem 2:2 gegen Eintracht Braunschweig war Schluss für den heutigen Assistenten von Bundestrainer Joachim Löw. Der VfB stand mit 20 Punkten fast wieder dort, wo ihn Schneider einst übernommen hatte: auf Platz 15. Huub Stevens übernahm und rettete den Club vor dem Abstieg. So glimpflich endete die Ära Jürgen Kramny nicht.

Dessen Team verlor am 23. Spieltag überraschend 1:2 gegen Hannover 96 – hinterher ging fast gar nichts mehr. Ein Sieg und zwei Unentschieden gab es noch, danach war der Absturz nicht mehr aufzuhalten. Am Saisonende stieg der VfB in die zweite Liga ab. Kein Wunder also, dass Tayfun Korkut nun jeden Anflug von Euphorie trocken wegmoderiert.

Korkuts mahnende Worte

„Wir dürfen keine Zufriedenheit ausstrahlen“, fordert er, „wir müssen unser Ziel immer vor Augen haben.“ Kein Schlendrian soll den Klassenverbleib gefährden, keine Sorglosigkeit das weitere Punktesammeln behindern – und tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass die Wirkung des Trainerwechsels nicht noch einmal derart schnell und dramatisch verpufft wie in den Jahren 2014 und 2016.

Im Gegensatz zu Schneider (kam von den B-Junioren des VfB) und Kramny (kam vom VfB II) kennt Korkut den Existenzkampf in der Bundesliga aus eigener Trainer-Erfahrung. Und er verweist auf den in seinen Augen wichtigen Anteil an Routiniers im Kader: „Wir haben genug erfahrene Spieler, die unsere Situation richtig einschätzen“, ist Korkut sicher. Christian Gentner hat es als einer von ihnen zwar zweimal nicht geschafft, sein Team vor einem grundsätzlichen Rückschlag zu bewahren, nun aber hat er in Holger Badstuber, Mario Gomez, Andreas Beck, Dennis Aogo oder auch Ron-Robert Zieler prominente Mitstreiter an seiner Seite. Keiner dieser (Ex-)Nationalspieler will sich am Ende vorwerfen lassen, er habe die Lage verkannt. Auch Gentner versichert, seine Schlüsse gezogen zu haben: „Wir haben vor zwei Jahren erlebt, wie schnell alles gehen kann. Sechs Punkte Vorsprung sind eine schöne Momentaufnahme, mehr nicht.“ Das Team wirkt geschlossener als vor zwei und vier Jahren. Doch Korkut mahnt: „Es läuft nicht von selber.“

Und so wird der Coach versuchen, auch vor dem Duell mit Schlusslicht 1. FC Köln am Sonntag (15.30 Uhr) die Sinne zu schärfen. In weiteren Duellen gegen direkte Konkurrenten wie den SC Freiburg, den HSV, Hannover 96 oder Werder Bremen könnte der VfB noch vor dem Saisonendspurt für klare Verhältnisse sorgen. Damit man sich irgendwann erzählt: Es war einmal ein Aufschwung mit Langzeitwirkung.