Minister Untersteller verpflichtet Gerrit Niehaus als neuen Abteilungleiter der Atomaufsicht. Niehaus löst damit Oskar Grözinger ab.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der Atomaufsicht im Stuttgarter Umweltministerium gibt es einen bemerkenswerten Führungswechsel. Neuer Abteilungsleiter wird ein Beamter aus dem Bundesumweltministerium, der in den vergangen Jahren wiederholt als strenger Kontrolleur auch der baden-württembergischen Kernkraftwerke aufgefallen ist. Der Jurist Gerrit Niehaus folgt Anfang November auf den bisherigen Oberaufseher Oskar Grözinger, der altershalber in den Ruhestand geht. Entsprechende Informationen der Stuttgarter Zeitung bestätigte ein Sprecher von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Das Kabinett hat seinem Vorschlag bereits vorige Woche zugestimmt.

 

"Mit Gerrit Niehaus wechselt ein absoluter Experte ins Umweltministerium", sagte Untersteller der StZ. "Er kennt das Geschäft, ist sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene sehr erfahren in der Atomaufsicht und meines Erachtens genau der Richtige, um die Aufgaben der nächsten Jahre zu meistern." Dazu gehöre zum einen, den Betrieb der beiden verbliebenen Reaktorblöcke in Philippsburg und Neckarwestheim "unter der Maßgabe größtmöglicher Sicherheit zu beaufsichtigen". Zum anderen werde ein deutlich größeres Gewicht als bisher auf dem sicheren und reibungslosen Rückbau der drei stillgelegten Atommeiler (einschließlich Obrigheim) liegen. Eine weitere Herausforderung für die Atomaufsicht sei die Suche nach einem Endlager für Atommüll, an der das Ministerium mit Niehaus aktiv mitwirken werde.

Niehaus war seit gut zehn Jahren in der Atomaufsicht des Bundesumweltministeriums tätig, zuletzt als Leiter einer Arbeitsgruppe für die "Bundesaufsicht bei Atomkraftwerken" im Rang eines Ministerialrats. Er gilt in Fachkreisen als "Ass". Bereits bei den schweren Sicherheitsverstößen 2001 im Kernkraftwerk Philippsburg hatte er mit dafür gesorgt, dass die zunächst zögernde Landesaufsicht die Brisanz der Vorfälle erkannte. Der damalige Landesumweltminister Ulrich Müller (CDU) geriet deshalb politisch massiv unter Druck. Im vergangenen Jahr halfen die Aufseher um Niehaus den Landeskontrolleuren erneut auf die Sprünge: Erst nach deren Intervention stuften die Kontrolleure von Tanja Gönner (CDU) eine zunächst nicht gemeldete Panne in Philippsburg doch als meldepflichtig ein.

Untersteller will dezentrale Strukturen beibehalten

Nach dem Ausscheiden der SPD aus der Bundesregierung und der Übernahme des Umweltressorts durch die CDU wurden die Arbeitsbedingungen für den Atomkontrolleur zusehends schwieriger. Die Differenzen mit dem neuen Abteilungsleiter, dem als atomfreundlich geltenden früheren Energiemanager Gerald Hennenhöfer, spitzten sich immer mehr zu. Im Frühjahr fühlten sich Niehaus und seine Kollegen bei der Aufarbeitung der Atomkatastrophe von Fukushima kaltgestellt (die StZ berichtete). Von der Überprüfung der deutschen Kernkraftwerke sahen sie sich weitgehend ausgeschlossen, wie sie in einem Protestschreiben an Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) beklagten. Der vermutete Grund: Die von der Arbeitsgruppe geforderten Konsequenzen gingen der politischen Spitze deutlich zu weit. Über Röttgens Reaktion wurde nie etwas bekannt. Seither wurde damit gerechnet, dass Niehaus das Umweltministerium über kurz oder lang verlassen würde.

Der bisherige Abteilungschef Grözinger stand seit 2005 an der Spitze der Atomaufsicht. Dem Vernehmen nach genoss er auch die Wertschätzung des neuen Ministers Untersteller. Erst im September hatte die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) der baden-württembergischen Aufsicht ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie habe die Empfehlungen aus einer früheren IAEO-Kontrolle vollständig umgesetzt.

Untersteller hatte früher übrigens mit Überlegungen geliebäugelt, die Atomaufsicht beim Bund zu konzentrieren. Inzwischen plädiert er jedoch dafür, die dezentralen Strukturen beizubehalten. Die Atomaufsicht der Länder sei "am besten vertraut mit den Gegebenheiten vor Ort", so die Begründung seines Sprechers.

Grüne Atomaufsicht

Transparenz: In der Atomaufsicht hat Umweltminister Untersteller bereits einiges geändert: So werden meldepflichtige Ereignisse wieder wie früher per Pressemitteilung bekanntgemacht. Dies soll die Transparenz erhöhen.

Kontrolle: "Weiche Faktoren" wie die Motivation der Mitarbeiter und das Betriebsklima sollen zudem eine stärkere Rolle spielen. Dies verändere die Qualität der Aufsicht, heißt es.