Neapolitanisch, römisch oder klassisch? Es gibt nicht nur eine Pizza! Stuttgarter Pizzabäcker erklären den feinen Unterschied zwischen ihren Zubereitungsarten. Was allen gemeinsam ist: die Zutaten stammen aus Bella Italia.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Stuttgart - Pizza ist in Italien nicht gleich Pizza – wie es auch Spätzle gibt, Knöpfle und Spatzen unterscheidet sich der mit Tomatensoße garnierte Teigfladen von Region zu Region. Diverse Varianten sind längst auch in Stuttgart zu haben. Aber welche ist die beste? Es ist wie bei der Wahl, jeder muss für sich entscheiden. Deshalb ist es höchste Zeit für ein Triell zwischen der neapolitanischen Pizza, der bei Rom erfundenen Pinsa und der klassischen Pizza, wie sie seit Jahrzehnten in Deutschland bekannt ist! In dieser Runde treten die neue Pizzeria Ragazzi, die Pinsamanufaktur und die seit fast 30 Jahren bestehende Trattoria Riva gegeneinander an.

 

1. Die Pizza Neapoletana

Die Kunst des Pizzabackens können die Neapolitaner für sich beanspruchen: Das Handwerk der Pizzaiolo ist seit 2017 Weltkulturerbe. Michelangelo Guiliano, der neueste Vertreter dieses Berufsstandes in Stuttgart, nimmt es auch ganz genau. Sein Mehl stammt aus seiner Heimat Süditalien wie fast alle Zutaten. In der Spiralmaschine vermengt der Chef der Pizzeria Ragazzi es mit Hefe, Salz und eiskaltem Wasser. Nach 15 Minuten rühren, ruht der Teig drei bis vier Stunden in der Schüssel. Dann werden einzelne Kugeln daraus geformt. Sie kommen für 48 Stunden bei einer Temperatur von 23 Grad in einen Gärschrank, werden auf sechs Grad gekühlt und am Ende bei 17 Grad herausgeholt.

Teig ist leicht und luftig

Durch den zeitintensiven Prozess würden sich Aromen wie beim Sauerteig bilden, erklärt der 46-Jährige. Pro Kilo Mehl benötigt er höchsten zwei Gramm Hefe, weshalb seine Pizza besonders bekömmlich sei. Leicht und luftig ist der Teig. Auch beim Belag setzt Michelangelo Guiliano auf Qualität aus Italien: San Marzano Tomaten aus der Dose, die nur püriert werden, Basilikumblätter und Fior die Latte von der Amalfiküste, die trockenere Form von Mozzarella, kommen beispielsweise auf seine Margherita. Sie ist für ihn die Königin der Pizzen, 16 Varianten stehen auf der Karte. Gebacken wird sie in zwei Minuten bei mehr als 450 Grad. Dass er in der Stadt keinen Holzofen nutzen darf, bedauert der Pizzabäcker sehr. Das Ergebnis ist fluffig und weich und kostet 10,90 Euro.

2. Die Pinsa

Der Pinsa wird gerne Geschichte angedichtet: Als „Urform der Pizza“ wird sie von der Stuttgarter Pinsamanufaktur beworben. Tatsächlich ist der ovale Teigfladen eine Erfindung des italienischen Unternehmers Corrado Di Marco, auf die er vor 20 Jahren kam. Zur besseren Vermarktung dachte er sich einen historischen Bezug zum Alten Rom aus, räumte er später in einem Interview ein. Die 2019 in Stuttgart eröffnete Pinsamanufaktur erhält ihre Teiglinge aus seiner Produktion, schockgefrostet werden sie im Lastwagen hergebracht. Zu aufwendig wäre die Herstellung hierzulande, sagt Daniel Nötzold, der Geschäftsführer für Business Development, „dort ist viel mehr Kompetenz dafür vorhanden“. Denn die Zubereitung ist aufwendig: Der Teig besteht aus Weizen-, Soja- und Reismehl, Trockenhefe, Wasser und Salz. Er geht mindestens 48 und bis zu 72 Stunden. Danach wird er von Pizzaioli in seine ovale Form gebracht und bei 300 Grad für ein bis zwei Minuten vorgebacken, um die luftige Konsistenz zu erhalten.

Kein Völlegefühl wegen langer Gärzeit

„Die Pinsa ist eine optimale Basis für alles, was einem schmeckt“, sagt Daniel Nötzold, 35 Arten stehen zur Auswahl. Käse und Wurst importiert der Betrieb ebenfalls aus Italien. Herkunft und Qualität der Zutaten seien ihnen wichtig, versichert der Geschäftsführer. In der Pinsamanufaktur wird sie dann kurz fertig gebacken. Luftig, leicht und cross ist das Ergebnis. Die römische Erfindung kommt gut an: Nach der Eröffnung in Stuttgart vor zwei Jahren, folgte diesen Sommer eine Dependance in Ludwigsburg, weitere Lokale sind geplant. Ihre Popularität erklärt Daniel Nötzold damit, dass durch die lange Gärzeit kein Völlegefühl entstehe. Die Margherita kostet 8,90 Euro.

3. Die klassische Pizza

„Unser Teig ist ganz simpel“, sagt Lorenzo Bellusci von der Trattoria Riva. Mehl, Wasser, Hefe, Öl und nur eine Prise Salz rührt er immer abends in einer Schüssel zusammen, gibt dem Teig 20 Minuten Pause, bis er die einzelnen Kugeln daraus formt. Die jeweils 270 Gramm schweren Teiglinge kommen für 20 Stunden in den Kühlschrank. Vor der Weiterverarbeitung lässt er sie noch einmal 20 Minuten ruhen. Seiner Meinung nach kommt die Stuttgarter Pizza zu 70 Prozent an die aus seiner Heimat Kalabrien heran. Das größte Manko: der fehlende Holzofen, für den sich eine längere Gärzeit erst lohne. Im Riva wird bei 380 Grad gebacken, heraus kommt eine knusprige Pizza, in deren Rand sich viele Blasen bilden.

Die Zutaten kommen aus Italien

Die Zutaten bezieht die Trattoria ebenfalls allesamt aus Italien. Wie im Ragazzi werden die Tomaten aus der Dose püriert und nicht gekocht. Öl, Salz, Basilikum und Fior di Latte aus Neapel ergeben für ihn die beste Pizza, die Margherita kostet im Riva sieben Euro, acht weitere Varianten stehen auf der Karte. Lorenzo Bellusci kontrolliert die Qualität mit dem Daumen: Wenn man auf den Rand drückt, dann muss sich die Delle wieder von selbst zurückbilden. Für den 30-Jährigen ist außerdem wichtig, dass das einzelne Pizzastück nicht schlaff herunterhängt, wenn man es vom Teller nimmt und mit den Fingern etwas zusammen biegt, sondern seine Form behält.

„Mittlerweile gibt es überall fancy Pizza“, sagt Albino Basile über die neuen Trends, lange Gärzeiten und besondere Zutaten. Den Servicechef vom Riva verunsichern sie nicht: „Basic bieten nicht mehr so viele an.“