Für Mitglieder in vielen Vereinen ist es ein unliebsames Déjà-vu-Erlebnis. Die in den Herbst verschobene Hauptversammlung muss wegen steigender Corona-Zahlen erneut abgesagt werden. Doch was heißt das eigentlich für die Arbeit in den Vereinen?

Stuttgart - Hauptversammlungen ganz absagen, verschieben, digital oder als Hybridveranstaltung stattfinden lassen: Auch die Vereine treibt die Corona-Pandemie um. Das hat nicht nur den VfB Stuttgart getroffen, der seine jährliche Mitgliederversammlung verschieben musste.

 

Einmal im Jahr ist eine Vereins-/Mitgliederversammlung laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch vorgeschrieben. Bis März 2020 war eine Online-Mitgliederversammlung ohne ausdrückliche Regelung in der Vereinssatzung unzulässig. Darauf reagierte der Gesetzgeber umgehend und verabschiedete bereits im März das Covid-19-Abmilderungsgesetz, das alternative Formen der Mitgliederversammlung zulässt. Es ist also ohne besondere Satzungsregelung möglich, alle Versammlungen eines Vereins auch virtuell abzuhalten und notwendige Beschlüsse zu fassen. Theoretisch.

Altersstruktur ein Dilemma für die Vereine

Im Jahr 2019 waren rund 20,4 Prozent der ehrenamtlich engagierten Personen 70 Jahre und älter. Das berichtet das deutsche Online-Portal für Statistik Statista auf seiner Homepage. Eine große Gruppe von Menschen im Risikoalter, die im digitalen Bereich oft nicht ausreichend ausgestattet ist. Ein Dilemma für die Vereine. Mitgliederversammlungen einfach ersatzlos zu streichen geht nicht. Verschobene Termine müssen nachgeholt werden, amtierende Vorstandsmitglieder bleiben nach abgelaufener Amtszeit bis zur wirksamen Neuwahl im Amt. Es empfiehlt sich, Änderungen in Bezug auf digitale Möglichkeiten in der Satzung rechtzeitig vorzunehmen, denn die Neuregelungen sind bis zum 31. Dezember 2021 befristet.

Der Turn- und Sportverein Stuttgart hat laut Informationen auf seiner Homepage die geplante Mitgliederversammlung zunächst abgesagt. Nach digitalen Alternativen gefragt, schrieb der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Thomas Frey: „Eine digitale Form haben wir verworfen, da wir strukturelle Probleme sehen und die Teilnahme und Abstimmung der Mitglieder nicht an einem fehlenden Internetzugang scheitern soll.“

Auf hybrid-Veranstaltungen setzen

Das Präsidium des Tanz-Sport-Zentrums Feuerbach teilt ebenso mit: „Zusätzlich haben wir auch eine Fürsorgepflicht unseren Mitgliedern gegenüber. Insbesondere unsere zur Risikogruppe zählenden Mitglieder können nicht oder nur unter größerem Risiko zur Versammlung kommen.“ Gleichzeitig bittet man um Rückmeldung der Mitglieder, ob für sie eine digitale Veranstaltung infrage käme.

Anders beim Gustav-Adolf-Werk Stuttgart, einem Verein, der unter anderem junge Erwachsene für Freiwilligendienste ins Ausland vermittelt. Dort heißt es, man habe die bevorstehende Delegiertenversammlung von vornherein als eine Hybridveranstaltung geplant. „Die äußeren Rahmenbedingungen mit großem Sitzungssaal sind gegeben, 70 Delegierte sind angemeldet, davon die Hälfte digital“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Vereins, Prälatin Gabriele Wulz. Nach einer Sondersitzung habe der Vorstand dennoch entschieden, die Versammlung zu verschieben. Eine rein digitale Veranstaltung schließe zu viele Menschen aus.

Konstruktive Stimmung in manchen Vereinen

Der Musikverein Stuttgart-Hofen 1905 e. V. hat sich nach Auskunft des 1. Vorsitzenden Bernd-Marcel Löffler aus der Not für eine rein digitale Veranstaltung entschieden. „Wir müssen dringend einige Beschlüsse fassen, unter anderem auch eine Erhöhung unserer Beiträge. Durch Corona haben wir seit März keine Einnahmen mehr.“

Im Verein herrsche aber eine sehr konstruktive Stimmung, die Wahl sei unproblematisch, und für die Technik gäbe es genug Fachleute aus dem Vorstand der Musiker. Mit einer „Generalprobe“ bereite sich der Musikverein in den nächsten Tagen auf die Sitzung vor. „Ich bin zuversichtlich“, sagte Löffler. „Es ist ein Neuland, auch für uns. Wir probieren es einfach aus und sehen, ob es klappt. Hinterher ist man immer schlauer“, fügte Löffler hinzu.