Es bleibt dabei: Halbtagsschule endet um 14 Uhr. Doch dem Beschluss im Stuttgarter Verwaltungsausschuss ging eine harte Debatte voraus.

Stuttgart - Selten hat ein Thema eine so klare Lagerbildung der Gemeinderatsfraktionen zur Folge gehabt wie das der Schulkindbetreuung. Doch am gestrigen Mittwoch sind CDU, Freie Wähler und FDP im Verwaltungsausschuss mit ihrem Anliegen gescheitert, den Familien bei der Betreuung ihrer Schulkinder als Alternative zur Ganztagsschule flexiblere Bausteine anzubieten. Hingegen konnten sich Grüne, SPD und SÖS/Linke mit ihrem Ziel durchsetzen, alle Mittel auf eine qualitativ hochwertige Ganztagsschule zu konzentrieren. Das bedeutet: Eltern haben künftig die Wahl zwischen einer verpflichtenden Ganztagsschule von 8 bis 16 Uhr und einer Halbtagsschule mit einer Betreuung bis maximal 14 Uhr.

 

Das hatte so bereits der Gemeinderat am 31. Januar beschlossen. Neu ist, dass Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) damit beauftragt worden sind, mit dem Land eine Ausnahmeregelung für eine zeitlich verkürzte Ganztagsschule auszuhandeln. So soll erreicht werden, dass die Schulpflicht „in begründeten Fällen“ bereits um 15 Uhr endet und nicht erst um 16 Uhr. Dieser Vorschlag der Verwaltung traf im Verwaltungsausschuss auf einhellige Zustimmung. Abgelehnt wurde hingegen, dies nur „besonders begabten Kindern im kulturellen und/oder sportlichen Bereich“ zu ermöglichen, wie es Eisenmann vorgeschlagen hatte. Welches die „begründeten Fälle“ sein werden, muss nun mit dem Land noch ausgehandelt werden.

Dem Beschluss vorangegangen war eine sehr emotional geführte Debatte. Dabei versuchten CDU, Freie Wähler und FDP – entgegen dem von ihnen mitgetragenen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats vom 31. Januar –, für eine Vielfalt der Betreuungsarten zu werben. Sie begründeten dies mit den Wünschen von Eltern.

„Sie blenden einen ganzen Bereich an Eltern aus“

So hatte die CDU gefordert, die Betreuung der verlässlichen Grundschule bis 15 Uhr auszudehnen, was laut Eisenmann vom Haushaltsansatz und personell möglich gewesen wäre. Zudem hätte die CDU gern das Modell der „Außerschulischen Bildung und Betreuung“ bis 17 Uhr ermöglicht: Dabei sollen neben sogenannten Jugendbegleitern vor allem Ehrenamtliche, auch Rentner, sich um die Kinder kümmern – Konzept, Entscheidung über Umfang, Organisation und Verantwortung aber lägen beim jeweiligen Schulleiter. Eisenmann konterte, diese Art der Betreuung sei in weiterführenden Schulen sinnvoll, aber nicht in der Grundschule. Diese Ansicht teilte auch Andreas Winter (Grüne). Iris Ripsam (CDU) warf den Grünen vor: „Sie blenden einen ganzen Bereich an Eltern aus.“ Nach wie vor gebe es „Familien, die das Leben selbst gestalten wollen“. Ihr Fraktionskollege Alexander Kotz sagte, die „Politik des Gehörtwerdens“ sei wohl eine Wahlkampflüge der Grünen. Man müsse auch Eltern, die nur ein, zwei oder drei Tage ganztags arbeiten, maßgeschneiderte Betreuung bieten.

Auch die Freien Wähler konnten sich mit ihren Vorschlägen nicht durchsetzen: Sie hatten gefordert, Ganztagszüge grundsätzlich nur bis 15 Uhr verpflichtend anzubieten – „und danach Freiheit“, so Rose von Stein. Zudem hätten sie Eltern gern sowohl beim Umfang der Betreuungsstunden als auch bei der Anzahl und Auswahl der Betreuungstage freie Wahl gelassen und somit auch Platz-Sharing ermöglicht. Dem hielt Eisenmann entgegen: „In der Ganztagsschule kann ich kein Platz-Sharing machen, weil da der ganze Tag rhythmisiert wird.“ Das heißt, Unterricht und andere Bildungsangebote wechseln sich ab. Bernd Klingler (FDP) argumentierte: „Wir brauchen Systeme für verschiedene Lebensformen.“ Deswegen solle man „gute Strukturen nicht kappen“.

Die Mehrheit aus Grünen, SPD und SÖS/Linke argumentierte anders. So sieht Andreas Winter keine Notwendigkeit, weiterhin Parallelstrukturen bei der Betreuung zu schaffen. Das Ziel seien nicht „möglichst viele Plätze an möglichst vielen Stellen, sondern rhythmisierter Unterricht in hoher Qualität“, sagte Marita Gröger (SPD). Und ihr Fraktionskollege Manfred Kanzleiter verwies auf den Ratsbeschluss vom 31. Januar und ergänzte: „Wir wollen keine Beliebigkeit.“ Auch Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke) erinnerte an den vom Rat beschlossenen Strukturwandel – „das ist auch ein Kulturwandel“. Der Bedarf an Ganztagsbetreuung sei groß, wie sich bereits an den Kitas zeige. „Die Wahlfreiheit ist doch da: Halbtags- oder Ganztagsschule. Wir machen keine Zwangsgeschichte.“