Geschnitzte Affen, ein Plüsch-Schaukelpferd, ein Wolf im Schafspelz: Im Atelier des Künstlers Thomas Putze in den Wagenhallen hat sich einiges angesammelt. Er hat sogar schon einen Preis gewonnen – für eine Aktion, bei der er halbnackt durch eine Kirche kletterte.

S-Nord - Thomas Putze hat kein Interesse an makellosen Oberflächen. Man sieht seinen Skulpturen an, wie sie geschaffen wurden, wie er das Holz mit Schleifmaschinen, Kettensägen und Feilen bearbeitet hat. Auch seine wenigen Zeichnungen sehen schnell zu Papier gebracht aus: Farbkleckse aus Tusche, zarte Buntstiftstriche, die sich zu einem Tier oder einem Menschen formen. „Vielleicht ist meine ganze Arbeit eine Skizze“, sagt der Künstler.

 

In seinem Atelier in den Wagenhallen stehen die Skulpturen dicht an dicht, ein kreatives Durcheinander aus Holz, Schrott und Alltagsgegenständen. Seit sieben Jahren arbeitet Putze hinter oder vielmehr vor Tor 17; in der Zeit hat sich einiges angesammelt: geschnitzte Affen, ein Schaukelpferd eingehüllt in pinkfarbenem Plüsch, ein Wolf im Schafspelz und ein Pelikan, dessen Schnabel aus einem alten aufgeklappten Telefonhörer besteht. Einige der Objekte in seinem Atelier waren schon, andere gehen noch auf Ausstellungen, beispielsweise ein geschnitzter männlicher Kopf, der ausgehöhlt, mit Abfall gefüllt und von einem Mülleimerdeckel bedeckt ist. Thomas Putzes Skulpturen sind meist eine Mischung aus Holz und Schrott, den er einarbeitet. Immer bekommen seine Skulpturen damit etwas Ironisches.

Im vergangenen Jahr hat er mit etwas anderem den renommierten Kunstpreis der Evangelischen Landeskirche gewonnen. Er hat die Jury mit der Performance „Durchzügler“ überzeugt. Mehr als 1000 Künstler aus Deutschland hatten sich beworben. Das Video der Aktion zeigt Thomas Putze, wie er während eines regulären Gottesdienstes in Marburg durch das Kirchenschiff klettert, während die Besucher auf der Empore sitzen. Nur bekleidet in ein paar Plastiktüten, die er wie eine Art Windel trägt, klettert er im Video die Kanzel hoch und balanciert auf den Kirchenbänken. „Das Ziel war, den Boden nicht zu berühren und mich tastend durch den Raum zu bewegen.“ Als er von dem Preis hörte und davon, dass er gewonnen hat, konnte er es erst nicht glauben. „Man ist es als Künstler ja gewohnt, permanent Absagen zu bekommen. Man stellt die ganze Zeit Anfragen und hört dann, dass etwas nicht funktioniert.“ Das sei Alltag. Zum Glück kann er trotzdem von seiner Kunst leben.

„Ich bin am Besten, wenn ich das mache, was ich will“

Dass sich der Künstler mit dem Glauben auseinandersetzt, ist nicht ungewöhnlich, wie ein Blick auf seine Biografie zeigt. Nach einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner hat der heute 45-Jährige Theologie in Wuppertal studiert. Doch schon während des Studiums hat Thomas Putze gemerkt, dass sich die Kunst ihren Weg bahnt. „Das war erstaunlich, da ich lange Zeit kaum gemalt habe.“ Und gerade als erdachte, er wüsste wo es lang geht in seinem Leben, „da hat dann die Kunst rebelliert.“

Putze hat angefangen, auf der Straße Musik zu machen und die Nächte durchzumalen. Das Musikalische ist auch heute noch fester Bestandteil in seinem künstlerischen Leben. Das Studium hat er zwar abgeschlossen; danach aber folgte ein Studium der Malerei an der Kunstakademie in Stuttgart. Heute kann Putze sich gar nicht vorstellen, für die Kirche oder überhaupt innerhalb starrer Strukturen zu arbeiten. „Ich habe das versucht, aber es hat nicht funktioniert. Ich bin am Besten, wenn ich das mache, was ich will, dann entwickelt sich ein Fleiß, der mich selbst erstaunt.“ Wenn ihm Menschen sagen, es sei etwas Besonderes, Kunst zu schaffen, dann erwidert er, es sei etwas Besonderes, es nicht zu tun. „Ich mache das, um leben zu können.“ Für ihn ist Kunst etwas Notwendiges geworden.

Wenn er anfängt, an einer Skulptur zu arbeiten, weiß er häufig noch nicht, was am Ende dabei entsteht. Schon lange macht Thomas Putze mit Kindern und Jugendlichen Kunstprojekte, beispielsweise mit Schülern der Rosensteinschule. Seine Arbeitsweise vergleicht er mit der der Schüler: „Kinder ticken oft wie Künstler. Sie fangen einfach an zu spielen und haben ein Urvertrauen, dass bei ihrem Spiel etwas entsteht und sich entwickelt. Das hat viel Ähnlichkeit mit meiner eigenen Arbeitsweise.“