Kathrin Haasis freut sich über einen Grauburgunder aus Esslingen. Als Pinot Grigio war er einst das Trendgetränk des Sommers. Jetzt feiert er ein Comeback – in viel besserer Qualität.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Esslingen - Die großen Zeiten des Grauburgunders sind vorbei – könnte man meinen. Als er noch Pinot Grigio hieß, verlangten vor ein paar Jahren alle Trendsetter und der Rest sowieso nach dem Wein, der sich durch seine geringe Säure so beliebt machte. Wie es das Schicksal von Modeerscheinungen verlangt, wurde er irgendwann gnadenlos abgelöst, aktuell läuft noch der Siegeszug des Rosé über die Terrassen der Restaurants und Eigenheime. Aber ein Comeback scheint sich anzubahnen, unter neuen Vorzeichen allerdings. Dem Trend zur Regionalität und Originalität geschuldet, nennen einige Winzer ihren Wein mittlerweile wieder Ruländer nach dem Kaufmann Johann Ruland, der in Speyer angeblich die ersten Rebstöcke von der Sorte in Deutschland vermehrt hat und verkaufte, weil seinen Kunden schon damals gefiel, dass der Wein daraus „süß und lieblich“ schmecke. Andere lassen ihn länger auf der Maische liegen, was dem Tropfen einen gerade ebenfalls als schick empfundenen orange Schimmer gibt.

 

Neue Vinothek in der Altstadt

Die Esslinger Weingärtner gehen ebenfalls mit dem Trend. Sie eröffneten Ende Mai eine Vinothek und Weinbar mitten in der malerischen Altstadt. „Das Ziel ist es, die Esslinger Weinszene wieder zu beleben“, erklären die Genossen – wobei Kessler schon lange mit seinem Sektausschank dazu beigetragen hat. Die Gäste der Weingärtner können beim Probieren immerhin auf die Weinberge blicken und die Herkunft der Tropfen direkt sehen. Ausgeschenkt wird dort auch der Grauburgunder Stufe 8, der sich als Sommerwein bestens empfiehlt. Dieser Weiße hat viel Kraft, ein kräftiges, nussiges Aroma und gar nichts mit der einst literweise konsumierten Massenware aus Italien zu tun. Dieser regionale Grauburgunder ist keine Modeerscheinung, sondern hat das Zeug zum Evergreen.

Das Urteil der Weinrunde: 

Holger Gayer Die Esslinger Genossen haben einen beeindruckenden Schritt gemacht: Praktisch die gesamte Kollektion wurde auf ein neues Niveau gehoben. Wie dieser Grauburgunder, der geschmeidig und bemerkenswert geradlinig ist.  

Harald Beck Ein kräftiger Vertreter seiner Art, mit dezenter Säure, dem vielleicht etwas mehr Lebhaftigkeit zu wünschen wäre. Aber wie der Kollege sagt, da geht es offenkundig voran. 

Michael Weier Ja, den Genossen aus Esslingen kann man zur ihrer Entwicklung nur gratulieren. Auch mit anderen Tropfen fallen sie immer öfter positiv auf.

Der verkostete Wein

Stufe 8 Grauer Burgunder 2020,
8,80 Euro, Weingärtner Esslingen,

Esslingen-Mettingen, 07 11 / 9 18 96 20. www.weingaertner-esslingen.de