Auch weil er weiß, dass die Besucher der Wilhelma die derzeitige Unterbringung der Tiere als nicht mehr zeitgemäß kritisieren. Bei den Elefanten erfüllt die Wilhelma die Richtlinien des Säugetiergutachtens vor allem deshalb nicht, weil es einen Herdenverband von Tieren vorschlägt: In Stuttgart leben derzeit jedoch nur die beiden betagten Elefantenkühe Zella und Pama. „Diese Festlegungen des Gutachtens begrüße ich dennoch sehr“, sagt Kölpin, der im geplanten Neubau für die Elefanten eine eigene Zuchtherde aufbauen will.

 

Die Wilhelma befindet sich bei ihren künftigen Neubauten in einem komplizierten Spannungsfeld. Einerseits gibt das Säugetiergutachten die Mindestanforderungen für die Haltung der Tiere vor. Der Stuttgarter Zoo setzt sich ehrgeizigere Ziele: „Wir wollen deutlich mehr als die Mindesthaltungsrichtlinien erfüllen“, sagt Kölpin. Andererseits spielen beim Bau neuer Anlagen nicht nur die Meinungen von Zoologen und anderen Wissenschaftlern eine Rolle. Der Zoo wird – genau wie andere Tierparks auch – von Tierschutzorganisationen wie Peta oder Endzoo für seine Haltungsbedingungen scharf kritisiert.

Den Giraffen fehle die Lauffläche

Endzoo bezeichnet Tierparks als „Unrechts-Institutionen“ und versteht sich selbst als Verein, der Missstände aufdeckt. Mit Blick auf die Neubaupläne der Wilhelma, sagt Frank Albrecht von Endzoo: „Wir empfehlen, dass die Wilhelma ihre Tierbestände extrem ausdünnt.“ Dann würden größere Freiflächen für die verbleibenden Tiere entstehen. Nach Ansicht von Albrecht stehen zahlreiche Anlagen von Großtieren in der Wilhelma im Widerspruch zu einer artgerechten Haltung. Den Giraffen fehle eine ausreichende Lauffläche im Innenbereich. Er habe bei einem Tier Verhaltensstörungen beobachtet. Bei den Raubtieren, den Flusspferden und den Elefanten seien die Innenanlagen „viel zu klein“.

Auch Besucher hinterfragen die Lebensbedingungen für Tiere im Zoo. Damit wächst der Druck auf die Einrichtungen, folgende Frage schlüssig zu beantworten: Worin besteht eigentlich der Zweck eines Zoos? Die Antwort darauf fällt der Wilhelma vor allem deshalb nicht leicht, weil immer mehr Besucher die Haltung der Tiere nach menschlichen Maßstäben beurteilen. Thomas Kölpin denkt dabei an die Eisbären. Sobald ein Eisbär im Zoo allein auf einer Anlage lebe, sagten viele Besucher: „Um Himmels willen, der Eisbär ist einsam!“ Bei den Menschen spiele das Bild „Mama, Papa, Kind“ eine prägende Rolle, dabei sei dieser Sozialverband bei vielen Tieren völlig unnatürlich. Gerade in Großstädten wie Stuttgart, in denen zahllose Haustiere lebten, würden Tiere immer stärker „in eine menschliche Rolle“ gedrängt.