Mit dem Umbau des Wilhelmspalais haben Lederer, Ragnarsdóttir, Oei nicht nur Räume für das neue Stadtmuseum geschaffen, sondern auch in der Nachkriegszeit verloren gegangene historische Strukturen wieder hergestellt.

Stuttgart - Zwei sehr gegensätzliche Siegerkonzepte standen 2009 zur Auswahl, als das Ergebnis des Gestaltungswettbewerbs zum Umbau des Wilhelmspalais bekannt gegeben wurde: Die Stuttgarter Architekten Lederer, Ragnarsdóttir, Oei wollten dem klassizistischen Gebäude an der Konrad-Adenauer-Straße ein vollständig neues Innenleben verpassen, das sich am ursprünglichen Grundriss des württembergischen Hofbaumeisters Giovanni Salucci aus dem 19. Jahrhundert orientierte. Wandel, Höfer, Lorch aus Saarbrücken dagegen ließen das moderne Interieur von Wilhelm Tiedje am Leben, der das ausgebombte Prinzessinnenpalais in der Nachkriegszeit als Stadtbibliothek wiederaufgebaut hatte. Die Denkmalpfleger, wie immer auf die Ablesbarkeit historischer Zeitschichten erpicht, favorisierten klar den Entwurf der Saarländer, während die Architekten im Preisgericht, ein bisschen weiterdenkend als haarscharf bis zur Fassade, dem städtebaulich geprägten Ansatz der Stuttgarter den Vorzug gaben.

 

Am Ende setzten sich Lederer, Ragnarsdóttir, Oei durch. Vom Resultat kann sich die Öffentlichkeit nun ein gutes halbes Jahr vor der offiziellen Wiedereröffnung des Hauses als Stadtmuseum während einer „Architektur-Preview“ ein Bild machen. Die Metamorphose ist fundamental, wiedererkennbar bis auf die unveränderten historischen Außenmauern nichts mehr. Wo früher in der Mittelachse der Haupthalle eine freitragende Treppenkonstruktion zu den Bibliotheksräumen führte, betritt man nun das gediegene Foyer des Museums: Einen quadratischen, von Stützen umgebenen Raum, flankiert auf der einen Seite vom Kassentresen, Shop und einem Vielzweck-„Salon“, auf der anderen von einem Vortragssaal und dem Museumscafé. Ein neues, umlaufendes Galeriegeschoss darüber mit Garderoben und WCs verleiht diesem neuen Entrée die gebührende Höhe, helles Birkenholz und ein schwarzer Terrazzoboden machen es wohnlich, wozu künftig auch diverse Stuttgarter Möbelklassiker beitragen, Mies van der Rohes Freischwinger für die Weißenhofsiedlung ebenso wie Sessel von Arno Votteler oder Herta Maria Witzemann.

Ein Wohnzimmer und Treffpunkt

Denn das war den Architekten bei diesem Projekt ein Hauptanliegen: das Wilhelmspalais über seine Funktion als Museum der Stadt(-geschichte) hinaus als Haus für die Stadt(-gesellschaft) herzurichten, als öffentliches Wohnzimmer und Treffpunkt, an dem man sich auf einen Apéro verabreden oder, wie einst im stark frequentierten Eingangsbereich der Stadtbücherei, zum Zeitunglesen niederlassen kann. Und es müsste schon sehr viel schief gehen – zum Beispiel mit dem Gastronomiebetrieb oder den Öffnungszeiten –, wenn diese Einladung an die Stuttgarter, das Haus auch im Alltag in Besitz zu nehmen, nicht angenommen werden sollte. Einen ersten Missgriff stellt allerdings schon die von einer Kunstkommission ausgewählte Kunst am Bau dar: ein leider hässliches und das noble Foyer verunzierendes Lichtobjekt aus kopfüber aufgehängten Straßenlampen. Dass die Laternen drinnen im Takt mit der Straßenbeleuchtung draußen an- und ausgehen, kann mit diesem Brutalo-Lüster nicht versöhnen.

Holz und Terrazzo ziehen sich auch in den beiden oberen Geschossen durch, wo sich die Ausstellungsräume befinden – die Sammlungspräsentation auf der ersten Etage, der Raum für Wechselausstellungen unterm Dach. Die runden Holzklappen vor den Oberlichtern kennt man schon aus dem Hospitalhof, wie überhaupt viele der sorgfältig geplanten und ausgeführten Details, von den Schließfächern bis zu den Handläufen aus Eichenholz, zur Handschrift dieses Büros gehören. Von der äußeren Hülle ist der Museumsneubau rundum so abgerückt, dass er, mit Jórunn Ragnarsdóttir zu sprechen, wie eine „Schatulle“ im alten Palais steht. In den Zwischenräumen zwischen Salucci-Fassade und der inwendigen Holzkonstruktion ist die gesamte Haustechnik versteckt, ein geschickter Schachzug, durch den sowohl das denkmalgeschützte Gemäuer als auch die Räume frei von Installationen gehalten werden konnten, die Fensterleibungen aber infolgedessen so tief wie bei einer mittelalterlichen Burg ausgefallen sind.