Wohne lieber ungewöhnlich: Christoph Röhn lebt im Studentenwohnheim „Bauhäusle“ auf dem Vaihinger Campus. Es ist das schrägste Wohnheim des Stuttgarter Studentenwerks und wurde von Architekturstudenten der Uni Stuttgart entworfen.

Stuttgart - Bei Christoph Röhn zu Hause ist alles krumm und schief. Wer dort die Vorhangstange mit der Wasserwaage anbringt, stellt schnell fest: Genauigkeit ist fehl am Platz. Per Augenmaß wird das Gesamtbild gleich harmonischer. Über einem seiner Fenster ist eine dünne Bambusstange an der Holzwand befestigt, für die kleinen roten Vorhänge ist sie vollkommen ausreichend. „Hab ich von meinem Vormieter geerbt“, sagt Christoph Röhn. Genau wie den Großteil seines sonstigen Inventars. Die Möbel sind aus Holz und selbst gebaut. Wände, Terrassen und Balkone sind es ebenso, im Grunde erinnert das gesamte Haus an ein riesiges Baumhaus. Nur, dass es auf dem Boden steht und 30 Studenten darin leben. Christoph Röhn ist seit September 2011 einer von ihnen. Er wohnt im „Bauhäusle“ auf dem Vaihinger Campus. Es ist das schrägste Wohnheim des Stuttgarter Studentenwerks.

 

Das Bauhäusle (kommt von der Weimarer Bauhaus-Bewegung, klingt aber auch nach Baumhäusle) ist Anfang der 1980er Jahre von Architekturstudenten der Uni Stuttgart entworfen und gebaut worden. 30 Arbeitsgruppen planten je ein Zimmer. Hinterher fassten sie die Entwürfe zu neun Baugruppen zusammen. Der Kreativität setzten die Professoren Peter Sulzer und Peter Hübner keine Grenzen: Ein Zimmer, der „Camembert“, spannt seine runde Holzkonstruktion um zwei Traktorfelgen vom Schrottplatz, aufgefächert wie das Verdeck eines Kinderwagens. Vier Zimmer sind um einen kleinen Turm gruppiert: die „Windmühle“. Auf einem dritten Bereich thront ein halbes, überdimensioniertes Weinfass – wohnen à la française: in Weichkäse und Barrique.

Zwei Küchen und jede Menge Terrassen

Dazwischen Gänge mit Schuhregalen, Spielen, Getränkekisten. Es gibt zwei Küchen und jede Menge Terrassen. Hier wird nicht nur gelernt. Hier wird auch gelebt. Das Bauhäusle sieht aus wie ein verwinkelter, gewachsener Abenteuerspielplatz mit Skihüttenromantik.

Christoph Röhn und sein Kommilitone Philipp Hüttel haben im Herbst 2011 ihren Bachelor in Luft- und Raumfahrttechnik an der Uni Stuttgart begonnen. Über die Webseite des Studentenwerks haben sie das Bauhäusle entdeckt. „Rechteckige Zimmer fand ich schon immer langweilig“, sagt Röhn und freut sich, dass die Wohngruppe, die ihre Bewohner selbst auswählt, sich für ihn entschieden hat. Jetzt tun er und Philipp Hüttel alles, um ihre zweijährige Wohnzeit zu verlängern. Hüttel darf ein Semester länger bleiben, denn er ist Haussprecher. Röhn kümmert sich um die Katzen Louis und Grisou – dafür gibt es ein zusätzliches Vierteljahr. Wer Aufgaben übernimmt, darf länger bleiben.

Freiwillig ausziehen wollen sie nicht. Weil es so familiär und offen ist. „Einmal bin ich morgens aufgewacht und in meinem Zimmer stand ein älterer Herr. Einfach so“, sagt Christoph. Es war Peter Hübner, der Architekturprofessor und Vater des Bauhäusles. Er war vorbeigekommen, um Fotos zu machen. Denn in Architektenkreisen hat das Bauhäusle eine gewisse Berühmtheit erlangt.

Bald werden wieder Zimmer frei

Auch sonst gibt es viele Geschichten zu erzählen: Von der Beinahe-Schließung vor rund zehn Jahren, als Mäuse das meldepflichtige Hantavirus eingeschleppt hatten. Daraufhin schaffte das Studentenwerk die Katzen an. Oder im vergangenen Jahr, als um ein Haar die Toten Hosen im Bauhäusle gespielt hätten. Bis in die Endrunde der Wohnzimmertournee der Düsseldorfer Punker hat es das Wohnheim geschafft. Der Brief mit der Absage hängt noch im Flur.

Wir wollen auf eine Dachterrasse, klopfen an ein Zimmer, über dessen Fenster man nach oben gelangt. Keiner da. Wir gehen trotzdem rein und steigen aufs Dach. „Das läuft hier immer so“, sagen Philipp und Christoph. Jeder kennt den anderen, man vertraut sich, freundet sich schnell an bei den gemeinsamen Abenden im Garten, auf den Terrassen oder auch mal bei einer Spontanparty in einem Zimmer.

Während Christoph und Philipp den Ausblick auf die umliegenden Betonbauten der Universität genießen, versammeln sich unten zehn Bewohner. Der defekte Bierautomat muss in die Werkstatt geschleppt werden. Christoph und Philipp sollen auch mit anpacken. Kleinere Reparaturen und Umbauten erledigen die Studenten selbst, in Erinnerung an die Erbauer. Auch wenn inzwischen kein Architekturstudent mehr im Haus lebt. „Vor Hammer und Nagel darf hier keiner Angst haben“, sagt Philipp. Ansonsten gebe es keine Voraussetzungen, um aufgenommen zu werden. Bald werden wieder Zimmer frei.