Marcus und Claudia Steiner haben sich einen Traum erfüllt: sie wohnen in einem kleinen Loft mit Blick über die Stadt. Den spektakulären Blick von dem Dach im Heusteigviertel haben die beiden sich aber selbst gebaut beziehungsweise renoviert.

Stuttgart - „Gehen Sie auf die Terrasse. Da finden Sie die Antwort“, sagt Marcus Steiner, wenn man ihn fragt, weshalb er so gerne in einem Dachgeschoss lebt. Und tatsächlich: die Antwort ist beeindruckend. Auf der Terrasse im fünften Stock streift der Blick beinahe über die ganze Stadt.

 

Seit vier Jahren wohnt Marcus Steiner zusammen mit seiner Frau Claudia über den Dächern Stuttgarts. Schon vorher haben sie in einer Dachgeschosswohnung gelebt, ebenfalls im Heusteigviertel. Vergleichbar sind die Wohnungen aber nicht. „Wir hatten eine Altbauwohnung, mit dem typischen Charme, aber auch mit den typischen Mängeln“, sagt Claudia Steiner.

Küche, Esszimmer und Wohnzimmer zugleich

Und jetzt: wer die Wohnung betritt, steht in einem offenen, großen Raum. Er ist Küche, Esszimmer und Wohnzimmer zugleich. Das Ehepaar hat sich ein helles und modernes Loft – „es ist eher ein Mini-Loft“ – eingerichtet, puristisch aber mit Einrichtungsgegenständen, die alle eine Geschichte erzählen. Da gibt es die große Bank, die in der Lieblingskneipe in Claudia Steiners Heimatort im Kreis Ludwigsburg stand und auf den Sperrmüll gebracht werden sollte. Ein abschließbares Weinregal, ebenfalls auf dem Sperrmüll gefunden und ein Reisesouvenir aus London: kleine silberne Tischchen in Form von Buchstaben. „Unsere Wohnungseinrichtung ist mit der Zeit gewachsen, am Anfang war es hier ganz kahl“, erzählt Claudia Steiner. „Wir bringen viel aus Urlauben und Ausflügen mit, manches ist selbst gebaut“, ergänzt ihr Ehemann.

Über eine schmale frei stehende Treppe, die man besser nicht mit Strümpfen sondern nur mit festem Schuhwerk betritt, um nicht auszurutschen, gelangt man auf die zweite Ebene, auf der sich „nur“ noch ein großer Schrank, ein Bett und das Bad befindet, aber auch der wichtigste Teil der Wohnung: die Terrasse mit dem erwähnten Ausblick. „Im Liegestuhl auf der Terrasse, den Sonnenuntergang genießen, das ist das Schönste“, schwärmt Marcus Steiner auch noch nach vier Jahren.

Aus der Ruine wird ein traumhaftes Loft

Nicht nur die Möbel erzählen eine Geschichte, auch die Wohnung an sich. Denn so wie jetzt, sah es dort oben nicht immer aus. „Hier oben war ein Notdach aus dem Krieg, das marode war und saniert werden sollte“, sagt Claudia Steiner. Ihr Ehemann hat davon Wind bekommen. Er arbeitet als Immobilienverwalter und hatte entsprechende Kontakte. „Seit Jahren war ich auf der Suche nach einem Dach, das ich ausbauen kann. Aber davon gibt es nicht viele und einige stehen unter Denkmalschutz“, sagt er.

Umso glücklicher war er, als er von der geplanen Sanierung im Heusteigviertel gehört hat. Zusammen mit seinem Freund Florian Danner – die beiden haben sich beim Architekturstudium in Mainz kennengelernt – hat er sich das Dach angeschaut. „Da waren wir uns nicht mehr so sicher. Wir haben eine völlig marode Ruine vorgefunden“, erzählt er. Doch dann saßen sie eines Nachmittags im Frühjahr oben auf dem Dach, mit einem Bier in der Hand („vielleicht waren es auch drei“) und ließen ihren Blick schweifen – die Entscheidung war gefallen. „Jetzt oder nie haben wir uns gedacht“, sagt Marcus Steiner.

Marcus Steiner sehnt sich nach schönerem Wetter

Bis das Ehepaar Steiner in die eine und der Architekt in die gegenüberliegende Dachwohnung einziehen konnten, vergingen noch zwei Jahre. Florian Danner hat mit seinem Architekturbüro in Tübingen die Planung übernommen. „Nur die Genehmigungsphase war eine kleine Odyssee“, erinnert sich Claudia Steiner. Als die Hürde genommen war, wurde knapp neun Monate lang gebaut. Das alte Dach wurde abgetragen, der Boden verstärkt und schließlich das Geschoss in Holzbauweise drauf gesetzt. Beim Innenausbau haben die Freunde einiges selbst gebaut.

Jetzt sehnt sich Marcus Steiner nach schönerem Wetter, damit er die Terrasse wieder nutzen kann. „Hier oben zu sitzen, wo immer ein Lüftchen weht, in einer dicht bebauten Stadt, das ist eine unglaubliche Freiheit“, sagt der 43-Jährige.