Nachdem im Kopenhagener Zoo eine Giraffe öffentlich geschlachtet wurde, muss der dortige Chef des Tierparks Morddrohungen aushalten. Der Chef der Stuttgarter Wilhelma äußert sich nun zu diesem Fall.

Stuttgart - Junge Giraffen könnten jederzeit als Trickfilmfiguren bei Disney Karriere machen: Im vergangenen Jahr kam in der Wilhelma die kleine Anna auf die Welt, blinzelte mit langen Wimpern über dunklen Knopfaugen, stakste auf dünnen hohen Beinen durch das Gehege und wurde bald zu einem neuen Publikumsliebling im Stuttgarter Zoo. Wut und Fassungslosigkeit brachen sich nun öffentlich Bahn, als bekannt wurde, dass der Kopenhagener Zoodirektor seine Giraffe „Marius“ erst töten und dann vor Publikum zerteilen und schlachten ließ. Anschließend verfütterte der vermeintlich herzlose Mann das Fleisch an die im Zoo lebenden Raubtiere.

 

Thomas Kölpin ist seit Anfang des Jahres der neue Chef in der Wilhelma, und er weiß genau, dass er sich zu einer heiklen Frage äußern soll. Ist es vertretbar, dass ein Zoodirektor ein Tier töten lässt, nur weil es sich laut Zuchtbuch nicht vermehren darf? „Eine Giraffe ist ein charaktervolles Tier, sie ist niedlich, sie hat einen Namen“, sagt Kölpin und nennt damit einige der Gründe für die Empörung über den dänischen Zoochef. Dieser hatte sogar Morddrohungen erhalten. „Menschen essen keine Tiere, denen sie einen Namen gegeben haben“, sagt Kölpin. Der Wilhelmachef beschreibt damit den kulturellen Hintergrund, der die Wut der Öffentlichkeit befeuert.

Was das Gesetz besagt

Doch wenn es um das Töten von Tieren geht, gelten zunächst nüchterne Gesetze. „Für unser Handeln bildet das Deutsche Tierschutzgesetz die gesetzliche Grundlage“ erklärt Kölpin. Das Gesetz besagt, dass es nur erlaubt sei, ein Tier zu töten, wenn bestimmte Gründe dafür vorliegen: Ist ein Tier beispielsweise schwer verletzt oder unheilbar krank, darf es getötet werden. Das gilt auch für „Futterzwecke“. So werden in der Wilhelma – genau wie in der Natur – Mäuse von Schlangen gefressen und Antilopen von Raubtieren.

Das Veterinäramt legt dabei fest, welche Tierarten ein Zoo an andere Tiere verfüttern darf. Dazu zählen Rinder und Schafe, sowie Ziegen und Hirsche. „Sämtliche Huftiere stehen auf dieser Liste“, erzählt Thomas Kölpin, „und zu diesen Huftieren gehören auch die Giraffen.“ Bei der Haltung seiner Tiere folge die Wilhelma den Zuchtanweisungen, die das Europäische Erhaltungszuchtprogramm EEP vorgebe. „Theoretisch könnte der Fall eintreten, dass wir eine Giraffe übrig hätten und sie in keine andere Herde integrieren könnten“, sagt Kölpin. In diesem Fall halte auch er es für vertretbar, das Tier zu töten und anschließend zu verfüttern.

Auf das öffentliche Verfüttern verzichten

Kölpin folgt damit jener Meinung, die viele seiner Kollegen in Deutschland vertreten: Im Kern habe der Zoochef in Kopenhagen korrekt gehandelt. „Im Gegensatz zu ihm würde ich jedoch auf eine öffentliche Obduktion und auf das demonstrative Verfüttern des Tieres verzichten“, sagt der Chef des Stuttgarter Zoos. Das Fressen und gefressen werden gehört in der Wilhelma zum Alltag: Hinter den Kulissen züchtet der Zoo Heuschrecken, Mehlwürmer, Mäuse und Ratten, die später in den Mägen anderer Zootiere landen.