Nicoleta Bolschetz steht jungen rumänischen Frauen bei, die als Prostituierte in Stuttgart arbeiten. Dafür wurde sie zur Stuttgarterin des Jahres gewählt, einem Ehrenamtspreis, gestiftet von der Stuttgarter Versicherungsgruppe und der Stuttgarter Zeitung.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Der Mann am Nebentisch horcht auf. Nicoleta Bolschetz spricht von Bordellen, Kondomen, Gleitcreme und regelmäßigen Besuchen bei Prostituierten. Eigentlich kein Gesprächsstoff für ein Frühstückscafé. Aber für die 29-Jährige ist es ein Thema geworden, das sie umtreibt und dem sie gerne noch mehr Engagement widmen würde. Im Moment findet sie die Zeit dafür nach der Früh- oder vor der Spätschicht in der Klinik. Ihren Lebensunterhalt verdient Bolschetz als Pflegerin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Für ihr Engagement ist Nicoleta Bolschetz bei einer großen Gala im Veranstaltungszentrum Wizemann in Bad Cannstatt im Rahmen einer Ehrenamtspreis-Aktion, gestiftet von der Stuttgarter Versicherungsgruppe und der Stuttgarter Zeitung, zu Stuttgartern des Jahres gekürt worden.

 

Mit traumatisierten Menschen kennt sie sich aus. Sie sagt, dass 80 bis 90 Prozent der Prostituierten im Stuttgarter Rotlichtviertel aus Rumänien stammen, blutjung sind und oft noch sehr viel jünger aussehen, als das Alter in ihrem Pass sagt.

Mit Kondomen wirbt sie um Vertrauen

Seit zwei Jahren macht sie regelmäßig einmal in der Woche ihre Runde durch die einschlägigen Etablissements und hofft, die Frauen wieder zu treffen, mit denen sie schon beim letzten Mal gesprochen hat. Sie verteilt an einem Nachmittag oder Abend etwa 200 Kondome und Gleitcreme. Es ist der Einstieg, um ins Gespräch zu kommen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Sprechen kann sie mit den Frauen nur, wenn sie nicht arbeiten müssen. Das Geschäft muss laufen. 130 bis 150 Euro kostet die Prostituierten die tägliche Raummiete. Um die 30 Euro zahlt ein Freier für 20 Minuten. „Das sind zehn bis 15 Vergewaltigungen pro Tag“, sagt Bolschetz nüchtern. Sie hat blaue Flecken in Gesichtern und am Körper gesehen, die nicht von Stürzen stammen können. Das hat sie in ihrer Ausbildung zur Kinder-und-Heim-Erzieherin zu unterscheiden gelernt.