Von der Haushaltsabgabe hält Reinhild Cuhorst wenig. Sie hört nur Radio, sieht nicht fern und hat keinen Computer. Alle ihre Klagen vor Gericht wurden abgelehnt – wie die der anderen, die sich beim GEZ-Stammtisch regelmäßig treffen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Reinhild Cuhorst hat keinen Fernseher – nicht in ihrer Stuttgarter Wohnung und auch nicht in ihrem Haus am Bodensee. Die 78-Jährige besitzt weder Smartphone noch Computer. Wenn sie Musik hören will, schaltet sie das Kofferradio in der Küche an oder legt in der Bibliothek, wo eine in die Jahre gekommene Stereoanlage steht, Schallplatten auf. Dort sitzt sie jetzt auch, vor sich einen Bücherstapel. Uwe Tellkamps neues Buch liegt ganz oben, die Bücher von Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky stehen hinter ihr im Regal. Reinhild Cuhorst sagt schnell, dass sie die AfD wähle. Damit ihre Position klar ist. Denn das sei die einzige Partei, die die Rundfunk- und Fernsehgebühren – die Gegner nennen sie Zwangsgebühr – abschaffen wolle. Das Wort Demokratie- oder Haushaltsabgabe mögen Cuhorst und ihre Mitstreiter nicht.

 

Der Gerichtsvollzieher droht

Bis zur Einführung der Haushaltsabgabe musste Reinhild Cuhorst als „Nur-Radiohörerin“ die Grundgebühr von 5,76 Euro im Monat bezahlen. Seit Anfang 2013 muss sie eigentlich 17,50 Euro zahlen – wegen ihrer beiden Wohnsitze gar zweifach. Cuhorst ist allmählich mit den Nerven am Ende. Die Sache geht ihr mächtig an die Substanz. In ihrem Kalender hat sie die Tage grün angestrichen, an denen sie in Sachen Haushaltsgebühr aktiv war. Im ersten Vierteljahr waren es mehr als ein Dutzend Tage. An den anderen Tagen kommt sie auch nicht zur Ruhe. „Ich bin doch nur ein Mensch und kann nur an einem Ort Radio hören. Irgendwann möchte man nicht mehr gejagt werden wie Freiwild. So komme ich mir vor“, sagt sie. Denn der Gerichtsvollzieher sitzt ihr im Nacken.

Ihre letzte Hoffnung ist nun das Bundesverfassungsgericht. Das Verwaltungsgericht Stuttgart, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim und das Bundesverwaltungsgericht Leipzig haben ihre Klage wie die der anderen Kläger abgewiesen. Denn Reinhild Cuhorst will die Haushaltsabgabe – also zusätzlich zu den Hörfunk- auch die Fernsehgebühren – nicht zahlen. Aus grundsätzlichen Gründen. Sie will, dass überprüft wird, dass sie wirklich keinen Fernseher hat und keine Lügnerin ist. Zudem zweifelt Reinhild Cuhorst sehr grundsätzlich am öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sie nennt ihn Staatsfunk und tendenziös.

Sixt, Rossmann und viele andere klagen

Damit ist sie nicht alleine. Die Gründe, gegen den Rundfunkstaatsvertrag zu klagen, sind allerdings sehr vielfältig. Auch der Autoverleiher Sixt und die Drogeriemarktkette Rossmann gehören zu den Klägern. „Es ist einfach nicht fair, für etwas zahlen zu müssen, das man nicht nutzen kann“, schreibt der Unternehmer Dirk Rossmann, der wie die anderen, für jede Filiale 17, 50 Euro zahlen muss.

Eine gute Seite haben die Klagen vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart für Reinhild Cuhorst trotz allem Stress jedoch gehabt. „Mein Bekanntenkreis hat sich positiv erweitert“, sagt sie. Denn einmal im Monat geht sie nun zum GEZ-Stammtisch. Dort treffen sich Gebührengegner, die sich zum Großteil vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart kennengelernt haben: eine heterogene Gruppe aller Altersgruppen, Männer und Frauen. Einer glaubt, vom SWR-Intendanten persönlich gejagt zu werden, zweifelt grundsätzlich an der Unabhängigkeit der Justiz. Andere haben pragmatische Lösungsvorschläge für die Gesetzgebung. Einige wollen nach Karlsruhe fahren.