Größer könnte die Herausforderung nicht sein. Die Stuttgarterin Aurelie Paul will 250 Kilometer durch die Wüste rennen. Sie macht beim Marathon des Sables mit, einem der härtesten Läufe der Welt.

Menschen sind schon eine interessante Spezies. Sie denken sich die verrücktesten Sachen aus, um sich zu beschäftigen und den Alltag aufzupeppen.

 

Da gibt es die gemütlichen Typen wie Jan Solberg aus Oslo, der 430 000 Etiketten von Bierflaschen gesammelt hat. William Christensen aus New Jersey ist stolz auf seine 75 000 Bierdosen und Mike Smith auf die schärfste Chili-Schote der Welt namens „Drachenatem“. Dann gibt es die aktiven wie den Iren Ryan Luney, der in einer Minute 14 Rückwärtssaltos gemacht und dabei Feuer gespuckt hat. Mohammad Rashid Naseem knackte 243 Walnüsse per Kopf. Das ist zugegeben nicht jedermanns Sache. Wer trotzdem eine Herausforderung sucht, für den gibt es den Marathon des Sables in Marokko.

Da werden 800 Menschen von diesem Sonntag an sechs Tage durch die Sahara rennen und gehen. Bei 60 Grad des Tags, zur Pflichtausstattung gehört ein Schlangenbiss-Set. Sein Zeug muss man selbst schleppen. Der Veranstalter stellt ein Zelt und neun Liter Wasser. Man merkt, das ist nichts für Verzagte. Also was für Aurelie Paul (41).

Neun Liter Wasser gibt es, keinen Tropfen mehr

Die gebürtige Bretonin lebt in Stuttgart. Aus Paris zog es sie vor knapp einem Jahrzehnt her, die Juristin arbeitete in Frankreich für Bosch, bekam dann das Angebot nach Stuttgart zu gehen. Mittlerweile ist sie bei Boss in Metzingen, hat zwei Kinder – und läuft und läuft und läuft.

Geübt hat sie schon: Auf Fuerteventura

Ihren 14. Marathon hat sie jüngst in Paris absolviert. In 3,37 Stunden. Mit 27 habe sie den ersten hinter sich gebracht, erzählt sie. „Das lief gut“, sagt sie, besser als gedacht, die Schmerzen aushaltbar, der Körper machte mit. Also blieb sie dabei. Und wie das so ist, irgendwann fragt man sich, geht da noch mehr? Was kann ich leisten? Man sitzt zusammen, plaudert – und erfährt von diesem Lauf durch die Wüste. „Das hat mich gereizt“, sagt sie, „das klang verlockend.“

250 Kilometer in sechs Tagen, Etappen von bis zu 80 Kilometern, über Geröll, durch Dünen, Flussbetten, durch den Sand stapfen, dabei seine Habe im Rucksack mit sich schleppend. Bis zu 60 Grad am Tag, fünf Grad in der Nacht, beobachtet von Schlangen und Skorpionen, mit maximal neun Litern Wasser auskommen müssend. Mehr gibt es nicht, keinen Tropfen mehr. Das klingt verlockend?

„Ich bin gespannt, ob ich das bewältige“, sagt Paul. Geübt hat sie schon mal. 2021 in Fuerteventura beim Half Marathon des Sables. Unter den exakt gleichen Bedingungen, aber „nur“ 125 Kilometer in drei Tagen. Da kam sie gut zurecht. Und hat gelernt, dass es wichtig ist, einen Rhythmus zu finden. Sich nicht draus bringen zu lassen, wenn die Schwäche einen überkommt – und rechtzeitig zu trinken. „Wenn ich erst trinke, wenn ich Durst habe, ist es zu spät.“

Alles auf dem Rücken

Essen muss man auch. Während das Wasser allerdings der Veranstalter stellt, muss man das Essen selbst mitbringen und schleppen. „Im Zelt darf nichts liegenbleiben“, sagt Paul. Wenig Gewicht, und dennoch kalorienreich muss es also sein. Auf dem Speiseplan steht sechs Tage lang Beef Jerky, also getrocknetes Rindfleisch, Energieriegel und Nüsse.

Gamaschen als Schutz

Jeden Morgen, wenn die Familie noch schläft, huscht Aurelie Paul aus dem Haus. Rennt aus der Stadtmitte hoch nach Degerloch, weiter nach Sillenbuch. 26 Kilometer. Gut trainiert ist sie also. Doch das Laufen auf festem Untergrund ist schwer zu vergleichen mit dem Laufen im Sand. Der Südtiroler Jens Kramer hat dem Magazin „Runtimes“ erzählt: „Krass waren für mich die ersten Meter im heißen Sand. Es war als würden mich zwei Männer festhalten. Die ganze Kraft, die man beim Laufen in den Schritt setzt, versickert förmlich im Sand. Das Land ist weicher als der Sand, den man vom Meer her kennt.“

Damit der Sand nicht zwischen Socken und Haut gerät, tragen die Läufer Gamaschen. Kaufen kann man sie nicht, die lässt man anfertigen. Die Ausrüstung hat sie also beisammen. „Wie mein Körper reagiert“, das wisse sie allerdings nicht. Doch sie will es angehen wie immer, egal ob beim Marathon durch Paris’ Straßen oder 250 Kilometer durch die Sahara: „Schritt für Schritt!“