Die Stuttgarterin Edeltraud Walla kämpft seit Jahren für die Lohngerechtigkeit von Frauen. Sie selbst klagt inzwischen in letzter Instanz und hält von Manuela Schwesigs Gesetzesentwurf zur Lohngleichheit nur wenig. Ein Porträt.

Stuttgart - Auch wenn sie gewusst hätte, dass ihre Klage vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen werden würde, hätte Edeltraud Walla diese trotzdem eingereicht. Denn die 60-Jährige ist niemand, der sich leicht unterkriegen lässt oder Ungerechtigkeiten widerstandslos hinnimmt. Das wird schnell deutlich, wenn man mit ihr spricht. „Ich wusste von vornherein, dass die Chancen sehr klein sind. Ich bin aber Optimistin und davon ausgegangen, dass die Klage allein wegen ihrer politischen Brisanz angenommen werden würde“, sagt die Schreinermeisterin.

 

Edeltraud Walla, die seit vielen Jahren an der Universität Stuttgart an der Fakultät Architektur und Stadtplanung Werkstattleiterin ist, hatte vor einiger Zeit durch Zufall erfahren, dass ihr männlicher Kollege bei gleicher Arbeit und sogar geringerer Qualifizierung, 1200 Euro brutto mehr verdient als sie. Als die 60-Jährige ihre Vorgesetzten darauf ansprach, erhielt sie eine Antwort, die sie als fadenscheinig empfand.

Walla klagte – bis zum Bundesverfassungsgericht, wo man ihre Klage nach zwei Jahren ohne Begründung im Juni vergangenen Jahres abwies. Die politische Brisanz, auf die sie gesetzt hatte, zog offenbar nicht – zumindest auf juristischer Ebene. Denn am Mittwoch dieser Woche hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig zur Lohngerechtigkeit beschlossen. Das Gesetzt soll für mehr Transparenz sorgen, um künftig Fälle wie von Walla zu verhindern.

Kein Gesetz, sondern gesellschaftliches Umdenken

Für die Schreinermeisterin ist der Entwurf dennoch eine Enttäuschung. So hatte sie bereits 2015 in der Talk-Show von Günther Jauch unter anderem mit Schwesig über die Offenlegung von Gehaltsunterschieden diskutiert. Die Familienministerin hatte damals erklärt, dass sie ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen wolle. Der Entwurf, den sie aber an diesem Mittwoch, fast zwei Jahre nach der Sendung, vorlegte, enthält erhebliche Einschränkungen und ist ohne praktikablen Nutzen, wie Walla findet.

„Es reicht nicht, zu wissen, dass es einen Unterschied in der Bezahlung gibt. Außerdem haben wir mit Artikel 3 des Grundgesetzes bereits ein Gesetz, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau fordert“, moniert die 60-Jährige.

Statt eines Gesetzes wünscht sich Walla ein gesellschaftliches Umdenken, und das Diskriminierungen bei der Entlohnung in Bälde der Vergangenheit angehören. „Was wir brauchen sind Menschen, die sich für die Einhaltung solcher Gesetze einsetzen. Und dass sich benachteiligte Frauen endlich gegen Ungleichheit wehren“, fordert die Schreinermeisterin – auch wenn ihre eigenen Beschwerden bislang nicht erhört und die Klagen alle abgewiesen wurden. Gegen das System, wie es Walla nennt, müssten sich eben noch mehr Frauen wehren. Sie zumindest bleibt auch weiterhin kämpferisch.

Walla kämpft auch als Beauftragte für Chancengleichheit

Das war Walla schon immer. Bereits zu Schulzeiten trat sie als Klassensprecherin für die Rechte ihrer Mitschüler ein und blieb auch 1984 konsequent, als sie in ihrem zuerst erlernten Beruf als technische Zeichnerin ebenfalls durch Zufall erfuhr, dass sie bei gleicher Arbeit 500 Mark weniger verdiente als ihr männlicher Kollege. Zur Begründung hieß es damals, dass der Kollege, obwohl zu diesem Zeitpunkt ledig, einmal eine Familie ernähren müsse. Sie kündigte, wurde Schreinerin und erwarb schließlich auch noch den Meisterbrief.

Dass ihr dieses Schicksal ein zweites Mal widerfahren würde, hatte sie damals nicht geglaubt. Trotz allem empfindet die Stuttgarterin auch Genugtuung. 2010 wurde sie an der Universität Stuttgart zur Beauftragten für Chancengleichheit gewählt. „Meine Hoffnung war, dass ich wenigstens in diesem Amt etwas bewegen kann, wenn schon nicht in meinem eigenen Fall.“ In den vergangenen Jahren konnte sie etwa mit der Einführung eines Mitarbeiterkindertags und Ausbildungsstellen in Teilzeit immerhin für andere Chancengleichheit in Teilen umsetzen.

Andere Frauen stark machen

Für die Zukunft erhofft sie sich, dass es irgendwann tatsächlich eine Lohngerechtigkeit geben wird. Schwesigs Gesetzentwurf, da ist sie sich sicher, wird dazu nur wenig, vielleicht sogar nichts beitragen. Eine Hoffnung bleibt ihr aber: Im Dezember 2016 hat sie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihre Klage eingereicht – ihre letzte Chance. Unterstützt wird sie von Verdi-Mitgliedern, die eine Crowdfunding-Kampagne planen, um die Kosten für das Verfahren zu tragen.

Walla weiß: selbst wenn ihre Klage erneut abgewiesen werden sollte, so hat sie es versucht. „Ich habe schon jetzt gewonnen, weil ich mich mit bestem Wissen und Gewissen für eine gerechte Entlohnung eingesetzt habe. Ich kann andere Frauen nur stark machen und sagen: Tut es.“