Bei der Stuttgartnacht ist mal wieder Ausdauer gefragt: Es gibt mehr als 500 Auftritte an 70 Veranstaltungsorten.

Stuttgart - Heimat ist Musikantenstadl, Kehrwoche und Krautaroma. Zumindest kommt das denjenigen in den Sinn, die mit dem Begriff immer einen muffigen Geruch verbinden, so als würde man auf Omas staubigem Dachboden einen alten Koffer aufmachen. Dass es auch anders geht – unspießig sozusagen – will die Stiftung Geißstraße am Samstagabend zeigen.

 

Seit vielen Jahren macht die Stiftung gemeinsam mit der Stuttgarter Zeitung bei der Stuttgartnacht mit. Oft ging es um interkulturelle Themen – schließlich ist das friedliche Zusammenleben von Menschen mit ausländischen Wurzeln die Aufgabe und das Ziel der Stiftung. „Dieses Mal schauen wir auf uns selbst“, sagt Claudia Barth von der Stiftung: „Traute Heimat“ heißt nicht nur der Saisonschwerpunkt der Stiftung Geißstraße, sondern auch das Motto des Beitrags zur Stuttgartnacht.

„Mei Mutter mag mi net“

In der ehemaligen Stadtbücherei, dem Wilhelmspalais am Charlottenplatz, diskutiert die (neigschmeckte) StZ-Redakteurin Julia Schröder mit zwei Originalschwaben, dem Fernsehjournalisten Ulrich Kienzle und dem Grünen-Stadtrat Michael Kienzle über „Bruddeln als Kultur“. Um 23.30 Uhr interpretieren Abgesandte des Landestheaters Tübingen Volksmusik auf ihre Weise: „Mei Mutter mag mi net – Volkslieder (zer)singen“ heißt das Programm von Silvia Pfänder und Thomas Maos. Beim alternativen Heimatabend im Wilhelmspalais servieren zudem der Slam-Poet Timo Brunke, Albrecht Metzger von der Schwabenoffensive und das Alphornduo Hüttenzound Kostproben aus ihren Programmen.

Insgesamt finden am Samstagabend in 70 Theatern, Kirchen, Galerien, Clubs und anderen Veranstaltungsorten mehr als 500 Programmpunkte statt. „Zu den Klassikern bei der Stuttgartnacht zählen inzwischen der Landtag und das Rathaus“, sagt Anette Taube vom Stadtmagazin „Lift“, das die Stuttgartnacht nun zum elften Mal veranstaltet (früher hieß es „Kulturnacht“). Die Besucher können mit ihren Tickets (siehe Infokasten) die sechs dafür extra eingerichteten Buslinien nutzen.

Das Liebesleben der Könige

Nach langer Abwesenheit wieder dabei ist die Firma Hochland, die ihre Rösterei in Degerloch öffnet. Besonders beliebt, so vermutet Anette Taube von „Lift“, werden die beiden Veranstaltungsorte im Norden sein: Der Kunstverein Wagenhallen fährt mit acht Programmpunkten auf, im Nord, der Spielstätte des Staatstheaters, wird unter anderem Ballett gezeigt.

Wie jedes Jahr ist das Programm sehr vielfältig. „Die klassischen Theatergänger haben mal die Möglichkeit, etwas anderes zu sehen“, sagt Anette Taube. Eine neue Sicht auf Bekanntes bekommt man bei den Stadtführungen: Mitarbeiter des Straßenmagazins „Trottwar“ zeigen Orte, an denen sie als Obdachlose gelebt haben. Das Schwulen- und Lesbenmagazin Schwulst führt durch die schwule Szene, es werden Anekdoten über das Liebesleben württembergischer Könige erzählt.

Musik im Rotlichtviertel

Neu entdecken kann man auch das Leonhardsviertel, das bei dieser Stuttgartnacht stark vertreten ist. Schließlich tut sich in der Altstadt tatsächlich etwas – und damit ist nicht das Rotlichtmilieu gemeint. Immer wieder ist das Gebiet zwischen Wilhelmsplatz und Wilhelmspalais im Gerede, dass es vernachlässigt wird, kriminell und schmuddelig ist. „Es ist gut, dass sich die Stuttgarter bei dieser Gelegenheit ein anderes Bild von dem Viertel machen können“, sagt Christoph Hildebrandt-Ayasse, der Pfarrer der Leonhardskirche, in der am Samstag Konzerte stattfinden.

Denn längst nicht alles ist schlecht in der Stuttgarter Altstadt: Immerhin ist seit einem Jahr der Kult-Plattenladen Ratzer hier heimisch (ebenfalls Teil der Stuttgartnacht). Auch in der unmittelbaren Nachbarschaft geht es musikalisch zu: Im Jazzclub Bix und in der anglikanischen St. Catherine’s Church gibt es Live-Sessions und ein Gospelkonzert.