Es gibt ihn noch: Der Trollinger, von Weinkennern oft ein bisschen mitleidig betrachtet, darf sich sogar bei „Stuttgarts beste Weine“ der Öffentlichkeit präsentieren. So wie am Sonntag und Montag im Haus der Wirtschaft.

Stuttgart - Doch, es gibt ihn noch. Der Trollinger, von Weinkennern oft ein bisschen mitleidig betrachtet, darf sogar mitmischen, wenn sich „Stuttgarts beste Weine“ der Öffentlichkeit präsentieren – so wie am Sonntag und am heutigen Montag im Haus der Wirtschaft. Zumindest boten die Bad Cannstatter Weingärtner, vertreten durch Berend Wentink, ihr Cannstatter Zuckerle selbstbewusst und für 11,50 Euro die Dreiviertelliterflasche feil: in Dreisternqualität, also in stark reduziertem Anbau, und bis zu neun Monate im gebrauchten Eichenholzfass gelagert, wie Wentink betont.

 

Tatsächlich gewinnt der Tropfen dadurch zwar nicht an Volumen, aber an Ausdruck. Aber sein blasses Hellrot hat er behalten. Daran hat sich Wentink erst gewöhnen müssen. Der Holländer, der seinen Schwiegersohn beim Verkauf unterstützt, berichtet fröhlich, anfangs habe er den Trollinger für einen Rosé gehalten. Wem dieser Tropfen zu wenig Wucht hat, dem empfiehlt Wentink den Lemberger, ebenfalls in Dreisternqualität. „Der ist trocken und weich zugleich“, sagt er. Die Probe aufs Exempel zeigt: der Mann hat recht, der Rote hat Volumen.

Gaumen-Training geht nicht im Supermarkt

Allerdings locken noch 31 weitere Weinbaubetriebe mit köstlichen Tropfen. Da wäre es schlau, beim Kosten strategisch vorzugehen. „Man fängt erst mal mit Weiß an“, meint Brani, ein junger Mann, der mit seiner Clique schon zum fünften Mal bei der Verkostung dabei ist. „Der Wein steht schon im Vordergrund – aber ein bisschen Spaß haben wir auch dabei“, ergänzt sein Kumpel Michael. „Man versucht schon, seinen Gaumen ein wenig zu trainieren – das geht ja nicht, wenn man in den Supermarkt geht“, meint die Schulfreundin. „Vor zwei oder drei Jahr haben wir viel Barrique getrunken“, berichtet Andreas. Dieses Mal suche die Clique „das Ehrliche, eine einfache Traube – schon auch Trollinger, den versuchen sie wieder besser zu machen“.

Ein Blick auf die Angebote der Wengerter zeigt: die Cuvées sind im Kommen. Doch der nagelneu kreierte Museumswein vom Collegium Wirtemberg sei leider noch nicht abgefüllt, berichtet Peter Meintzinger. Auch die Etiketten seien noch nicht fertig. Aber irgendwann im neuen Jahr wird die Cuvée aus Spätburgunder, Dornfelder, Lemberger, Cabernet Mitos und Heroldrebe zu kosten sein. Gut gereift hingegen ist etwa die 2008er Rotweincuvée namens „Buzze“ des städtischen Weinguts mit Lemberger, Spätburgunder und Dornfelder von der Mönchhalde. „Das ist unser Einziger im Bereich Barrique“, sagt Jakob Lange, der bei der Stadt Wengerter gelernt hat und jetzt eine Ausbildung als Techniker für Weinbau und Önologie macht. 12,50 Euro kostet der „Buzze“ – „der würde am Markt auch für 18,50 Euro gehen“, meint Lange nicht ohne Stolz.

Es finden sich auch Tropfen für den größeren Geldbeutel

Doch in der König-Karl-Halle finden sich durchaus auch Tropfen für den größeren Geldbeutel, allen voran ein Spätburgunder, Jahrgang 2010, vom Fellbacher Weingut Schnaitmann für 42 Euro die Flasche. „Das ist unsere Toplage“, sagt Judith Baum. 45 Jahre alte Rebstöcke, extrem kleine Trauben, der Steilhang lässt maschinelle Bearbeitung nicht zu. „Der braucht eigentlich noch Zeit“, räumt Baum ein. Doch im Unterschied zu Wentink, der seine Roten dekantiert, wird der Lämmler direkt aus der Flasche offeriert.

Doch derlei kümmert eine andere junge Clique nicht. „Das ist meine erste Weinprobe überhaupt“, sagt Manuel Justus, der mit Kollegen und Kommilitonen unterwegs ist. „Und ich habe die Weinprobe zum Geburtstag geschenkt gekriegt“, sagt Nicole Weinert. Die Gruppe hat kein spezielles Ziel. „Wir sind ganz offen hierhergekommen“, sagt Sarah Krenn. „Mal was Neues in Stuttgart ausprobieren“, ergänzt Eugen Hartian. Die Strategie: „Sekt, Weißwein Rotwein – auf die Preise haben wir nicht geschaut.“