Stuttgarts OB schlägt Wellen Nopper will den Nesenbach ans Licht holen
Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper hat mit einem nicht ganz neuen Vorschlag viel Aufmerksamkeit erregt.
Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper hat mit einem nicht ganz neuen Vorschlag viel Aufmerksamkeit erregt.
Stuttgart - Stuttgarts neuer Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) ist offenbar bemüht, die Stadt voranzubringen und die Dinge im Fluss zu halten. In einem Interview mit unserer Redaktion sagte das Stadtoberhaupt vor kurzem, unter bestimmten Umständen sei aus seiner Warte eine Light-Variante des Frühlingsfestes durchaus denkbar. Nopper wörtlich: „Wenn es die Rechts- und die Infektionslage zulassen, kann ich mir eine Biergarten-Version vorstellen, also eine Außenbewirtschaftung auf dem Cannstatter Wasen mit Teststationen.“
Am selben Tag warf der OB in einem Gespräch mit dem Stuttgart Online-Sender Stuggi.TV noch einen Stein ins Wasser, der Wellen schlagen sollte. „Die Stadt soll blauer werden“, sagte der Mann, der seine Dienstgeschäfte vorzugsweise in blauen Anzügen verrichtet, „und mehr Wasseranteile erhalten.“ Zu diesem Zweck prüfe die Verwaltung, ob und an welchen Stellen der Nesenbach wieder an die Oberfläche gebracht werden könne. „Ich fände das ein unglaublich tolles Projekt“, sagte Nopper. „Wir brauchen mehr Wasser in der Innenstadt, es wäre ein schönes und kreatives Projekt, wenn wir das in Form von kleinen Nesenbach-Wasserfällen hinbekommen würden.“
Selten hat der Online-Sender auf einen kommunalpolitischen Beitrag so viel Resonanz in den sozialen Netzwerken erhalten – im Positiven wie im Negativen. Die einen waren ganz aus dem Häuschen, ob dem Vorpreschen des ehemaligen Backnanger OBs, dessen frühere Wirkungsstätte in der Presse gelegentlich als „Murr-Metropole“ auftaucht. Andere hielten es für einen schlechten Witz, einen Abwasserkanal, was der tiefergelegte Nesenbach zweifelsohne ist, mitten durch die Stadt fließen zu lassen.
Fest steht: Stuttgart wird sich in absehbarer Zeit wohl nicht mit Venedig messen können. Bei der Pressestelle der Stadt Stuttgart rudert man auf Anfrage ob der feucht-fröhlichen Träume des neuen Stadtoberhaupts verhalten zurück. „Der OB denkt hier langfristig“, sagt Sprecher Sven Matis. „Es ist eine Idee, mehr noch nicht. Aber er ist ja erst am Anfang seiner Amtszeit, sicher wird es dazu zu einem späteren Zeitpunkt konkretere Aussagen geben können.“
Ganz aus der Luft gegriffen sind Noppers nassforsche Nesenbach-Visionen nicht. Nach der Vorstellung des noch unter OB Fritz Kuhn im Sommer 2019 vorgestellten 200 Millionen Euro schweren Aktionsplans Klimaschutz soll Stuttgart nicht nur grüner, sondern auch blauer werden. „Wasser und Verdunstungsmöglichkeiten sind wichtig“, sagt Stadtsprecher Matis, „damit der Kessel in den heißer werdenden Sommern abkühlt.“ Und neu ist die Idee ohnehin nicht, den Nesenbach ans Tageslicht zu holen – zumal waschechte Stuttgarter von jeher bedauern, dass der Neckar an der Stadt nur vorbei- und nicht durch sie hindurchfließt. Realisiert wurde die Idee im Jahre 1999 auf einer Länge von rund 400 Metern – durch eine Renaturierungsmaßnahme in der Talaue zwischen Kaltental und Heslach. „Der neue Stadtbach könnte aber auch in der Innenstadt und durch den Schlossgarten fließen“, sagte der damalige Leiter des Tiefbauamts Hartwich Beiche. Im Herbst solle ein entsprechendes Konzept dem Gemeinderat vorgestellt werden. Im Herbst 1999, wohlgemerkt.
Klar ist: Es geht nicht darum, den unter Tage verlegten Abwasserkanal, der schon Herzog Carl Eugen gestunken hat, durch die Stadt dümpeln zu lassen. Die Rede ist von rund 30 Prozent des Nesenbachwassers, das vom Regen oder von Quellen gespeist wird und als sauber gilt.
Eben jenes saubere Wasser müsse man sichtbar machen, forderte der 2018 verstorbene Architekt und Hochschullehrer Roland Ostertag 2013 in einem Gastbeitrag für die Stuttgarter Nachrichten. Deshalb dürfe man es nicht mit dem Schmutzwasser vermischen. „Für dieses Wasser schlagen wir ein sichtbar durch die Stadt geführtes, eingebettetes Bachsystem vor – weitgehend dem Verlauf der früher natürlichen Bäche und Nebenbäche folgend, damit die historische Stadtstruktur wieder aufnehmend.“ Ostertag unterstrich seine Forderungen mit hübschen Visualisierungen, die einen glasklaren Bach zeigen, der sich durch die Innenstadt und den Schlossgarten windet.
Bis es so weit ist, so ist zu vermuten, fließt noch viel Wasser den Nesenbach hinunter. Sauberes und dreckiges in rauschender Eintracht.