Ziviler Ungehorsam hat in der Bevölkerung aber einen hohen Sympathiewert.


Das weiß ich wohl. Da wird dann immer an Mahatma Gandhi erinnert oder an Martin Luther King. Doch solche Vergleiche sind meiner Meinung nach sehr schief. In beiden Fällen ging es darum, objektives Unrecht oder gar ein Unrechtsregime zu bekämpfen. Stuttgart 21 aber wurde von demokratisch legitimierten Gremien mit jeweils breiten politischen Mehrheiten beschlossen und auch durch mehrere Gerichtsverfahren bestätigt.

Wie wird die Polizei gegen die Parkschützer vorgehen, die sich an Bäume ketten wollen, um die Abholzung zu verhindern?


Wenn sich die Menschen an Bäume ketten, die gefällt werden sollen, dann kann das Nötigung sein - beispielsweise gegenüber beauftragten Firmen und deren Mitarbeitern, die gehindert werden, ihre Arbeit zu tun. Insofern ist ziviler Ungehorsam auch nicht gewaltfrei, wie immer behauptet wird. Es gibt durchaus auch eine Form der psychischen Gewalt, die in solchen Fällen von Demonstranten ausgeübt wird. Aufgabe der Polizei ist es deshalb, diese Menschen von den Bäumen abzuketten und wegzutragen, was für die Beamten allerdings sehr unangenehm ist.

Die Parkschützer trainieren ja bereits das Anketten und sich gegenseitig Festhalten. Trainiert die Polizei ihr Vorgehen ebenfalls?


Wir bereiten uns vor - wie wir polizeitaktisch, aber auch technisch vorgehen, um jemanden vom Baum zu lösen.

Vergnüglich wird das nicht werden!


Das ist gewiss. Und in der Tat wird es vonseiten der Polizei darauf ankommen, einen maßvollen Weg zu finden. Aber da bin ich sehr zuversichtlich. In den vergangenen Jahrzehnten hatten wir viele gesellschaftlich brisante Themen, bei denen immer wieder auch die Polizei gefordert war - sei es die Zeit des Terrorismus, der Friedensbewegung oder der Kurdenfrage. Und ich meine, wir haben da immer einen vernünftigen Weg gefunden, der zur liberalen Stuttgarter Stadtgesellschaft passt. Wichtig ist, dass man in so einen Einsatz keine Hektik reinbringt.

Müssen wir mit einem Massenaufgebot an Polizei rechnen?


Wir müssen sicherlich mit der nötigen Personalstärke auftreten. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn die Polizei hinter den Demonstranten herrennen muss, dann kommt es mit Sicherheit zu unschönen Szenen.

Mit welchen Szenarien rechnen Sie denn?


Erstens damit, dass es zu Ankettaktionen kommen könnte und zu Baumbesetzungen. Zweitens denken wir, dass es eine Alarmierungskette der Protestierenden geben wird, so dass sie in größerer Zahl erscheinen. Und drittens wurde von den Stuttgart-21-Gegnern schon angekündigt, Lastwagen oder Baumaschinen zu blockieren.

Wie viele Demonstranten werden auflaufen?


Da tue ich mich schwer. Aber die Zahl der Menschen, die sich im Internet als Baumschützer eingetragen haben, ist enorm. Und ich kenne aus den letzten Jahrzehnten keinen bürgerlichen Protest, der über so viele kluge Leute, so viel Kreativität und Organisationstalent verfügte.

Haben Sie auch Worst-Case-Szenarien? Stichwort etwa: Startbahn West.


Ich bin gegen solche Vergleiche, das heizt nur unnötig die Emotionen an und radikalisiert den Protest noch weiter. Vor allem darf man die Stuttgart-21-Gegner nicht im Vorfeld kriminalisieren. Und man muss berücksichtigen, dass die Baustelle für den neuen Hauptbahnhof direkt im Zentrum liegt, da bringt jeder große Polizeieinsatz eine Innenstadt durcheinander.