Die Stuttgarter Subkulturschaffenden haben den Bürgerhaushalt für ihre Forderungen entdeckt. Zahlreiche Vorschläge wurden eingereicht, in denen ein sensiblerer Umgang mit den wenig vorhandenen Spielstätten gefordert wird.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Um zu demonstrieren, muss man heute nicht mehr zwingend auf die Straße gehen. Im Netz ist der Protest manchmal nur einen Klick entfernt. Das entdecken Stuttgarter Subkultur- und Nachtlebenschaffende derzeit für sich. Beim Stuttgarter Bürgerhaushalt gehen online immer mehr Petitionen für mehr Freiraum, für mehr Flächen und für längere Öffnungszeiten ein.

 

Um die Subkulturforderungen im Bürgerhaushalt zu bündeln, haben sich einige Kreativschaffende im Internet unter dem Siegel „Es ist Liebe“ zusammengetan. „Es wird eng für unsere Subkultur: Jetzt handeln und mitreden!“, lautet das Motto des Zusammenschlusses, dem unter anderen Veranstalter aus dem Bereich der elektronischen Musik wie Mr. Weekend angehören, Clubbetreiber (Lehmann), aber auch etablierte Großveranstalter wie die SKS Michael Russ GmbH, die von Anastacia bis   David Garrett bekannte Künstler nach Stuttgart holt. Der Zusammenschluss hat zwei Forderungen selbst eingereicht: Vorschlag 3986 hat das Thema „Subkultur erhalten und neue Veranstaltungsflächen/-räume schaffen“ zum Inhalt. Vorschlag 3793 fordert einen durchgängigen „S-Bahn- und/oder Nachtbus-Betrieb“.

Mehr als 3300 Internetusern gefällt die Seite

Auf der Website esistliebe.com werden diese beiden Vorschläge im Kontext der Ausgeh- und Livekultur erläutert. Dazu wird auf inhaltlich verwandte Vorschläge im Bürgerhaushalt verwiesen. „Wir wollen die Masse darauf aufmerksam machen, dass es für uns Veranstalter zum Problem wird, wenn Clubs schließen müssen und die Sperrzeit verlängert wird“, sagt Fabian Braunbeck, DJ und Teil des „Mr. Weekend“-Kollektivs. Den Internetusern scheint die Initiative zu gefallen, mehr als 3300-mal wurde die Seite mit „Gefällt mir“ bei Facebook geadelt.

Dem Zusammenschluss geht es laut Braunbeck nicht darum, einen rechtsfreien Raum für Ballermann und Dauerparty zu schaffen. „Natürlich muss es Regeln und Vorschriften geben. Wir wünschen uns aber ein bisschen mehr Kulanz und Entgegenkommen von Seiten der Stadt“, so Braunbeck. „Viele sind mit der Feierkultur in Stuttgart zufrieden, weil sie nur zweimal im Monat nach Stuttgart kommen, um hier auszugehen. Für uns als Veranstalter gibt es aber keine Planungssicherheit beim Buchen von jungen Künstlern.“

Stadt will beim Schaffen von Freiräumen helfen

Die Stadtverwaltung verfolgt die Initiativen im Netz mit Interesse. „Dass die Veranstalter ihre Vorschläge bündeln, begrüßen wir. Der Bürgerhaushalt ist dafür genau die richtige Plattform“, sagt Sven Matis, der Sprecher der Stadt Stuttgart. „Wir fördern die nicht etablierte Kunst und Kultur: Wo gewünscht und möglich, helfen wir beim Schaffen von Freiräumen.“

Ins Leben gerufen wurde die Plattform „Es ist Liebe“ von technokultur.com, einer Agentur für elektronische Tanzmusik in Stuttgart. Hintergrund ist das Ende der Spielstätten Röhre, KimTimJim und Zapata sowie die Einschränkung des Spielbetriebs des Clubs Rocker 33 durch eine Sperrzeitverlängerung. „Eine Alternative für die Röhre, das Zapata sowie das KimTimJim sucht man nach wie vor vergebens“, schreibt Manuel Klink, Initiator der „Es ist Liebe“-Initiative. Zumindest in Bezug auf das Zapata ist die Stadt aber aktiv. Die Gespräche über die Zukunft der Lokation laufen.

Parallel zur Debatte im Internet läuft der Austausch zwischen Stadt, Polizei und Gastronomen in den Arbeitskreisen, die aus dem Runden Tisch zur Ausgehkultur in Stuttgart entstanden sind. Einige Veranstalter befürchten dabei weitere Einschnitte, vor allem bei Open-Air-Veranstaltungen: „In diesem Sommer wird sich einiges ändern. Zumindest wenn es nach dem Ordnungsamt der Stadt geht. Open-Air-Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt elektronische Musik werden nicht genehmigt“, heißt es auf der Seite www.esistliebe.com. „Diese Aussage trifft nicht zu. Die Mitarbeiter im Ordnungsamt kümmern sich nicht darum, ob bei einer Open-Air-Veranstaltung Hip-Hop oder Elektro aus den Boxen kommt. Viel entscheidender ist der Lärmpegel. Wir müssen abwägen, ob Anwohnern der Lärm einer Open-Air-Veranstaltung zuzumuten ist“, so Sven Matis.