Am Wochenende steht für Hollywood das Ereignis des Jahres an. Zum 90. Mal werden die Oscars verliehen. Für den Auftritt auf dem Roten Teppich engagieren Stars hoch bezahlte Stylisten. Manche von ihnen sind selbst kleine Stars.

Stuttgart/München - Sie sind das Medium zwischen Schauspieler und Designer, sie sorgen für das passende Label zum richtigen Zeitpunkt am perfekten Körper. „Die sogenannten Celebrity Stylisten oder Personal Stylisten werden in der Modebranche immer wichtiger“ sagt Sabine Resch. Sie ist die Studienleiterin für Modejournalismus an der AMD Akademie Mode & Design in München und betreut das relativ neue Weiterbildungsprogramm „Styling“. „Seit etwa die amerikanische Stylistin Patricia Field Sarah Jessica Parker für die Serie und die Filme ‚Sex & the City‘ und Anne Hathaway für den Film ‚Der Teufel trägt Prada‘ eingekleidet hat, ist das Standing der Stylisten enorm gestiegen.“

 

Die Aufhübscher vom Dienst arbeiten heutzutage nicht mehr nur im Hintergrund, sondern sind selbst kleine Stars und gefragte Gäste auf Society-Events. Wer Prominente wie Lady Gaga, Rihanna, Jennifer Garner, Gwyneth Paltrow oder Liv Tyler einkleidet oder für namhafte Mode-Magazine arbeitet, rückt selbst in den Fokus der Öffentlichkeit.

Wer eine Oscar-Gewinnerin einkleidet, gewinnt selber an Prestige

In den USA gehören dazu zum Beispiel Elizabeth Stewart, zu deren Kundenstamm Julia Roberts oder Sandra Bullock zählen, Rachel Zoe, deren Star-Liste von Cameron Diaz über Kate Hudson bis zu Anne Hathaway reicht oder Nicola Formichetti, der für den Look von Lady Gaga zuständig war und sie unter anderem 2010 in dem berühmten Fleischkleid zu den MTV Music Video Awards schickte. Auch eine deutsche Stylistin hat in den USA Erfolg: Julia von Boehm, die Nicole Kidman und Julianne Moore berät und zugleich für den „Stern“ und die „Vogue“ in Deutschland arbeitet.

Inzwischen haben Modekonzerne eigene Abteilungen gebildet, die sich mit nichts weiter als dem Celebrity-Dressing befassen. Eine ganze Auswahl an Kleidern wird verschickt, der Stylist sucht das passende Outfit für seinen Klienten aus. Hat man es geschafft, eine Oscar-Gewinnerin einzukleiden, ist das ein unbezahlbarer Imagegewinn, sowohl für das Modeunternehmen als auch für den Stylisten.

Der Stylist kann im Hintergrund sehr viel bewirken

„Pailletten-Pusher“ werden Stylisten spöttisch hin und wieder genannt. Das werde dem Beruf nicht gerecht, findet Juliane Kahl. Die 43-Jährige ist freiberufliche Kostümdesignerin, Stylistin und Produzentin, lebt in München, pendelt beruflich oft nach London und in andere Teile der Welt. Neben vielen Stylings von Models für Modemagazine und Werbefotografen, hat sie Prominente wie Boris Becker, Natalia Avelon oder Heike Makatsch für Shootings eingekleidet.

„Als Stylist braucht man ein Gefühl für sein Gegenüber“, sagt Juliane Kahl. Man arbeite schließlich sehr eng und intim mit dem Model oder Star zusammen. „Für das perfekte Bild oder den perfekten Auftritt muss man sich absolut wohl fühlen, sonst sieht ein Styling ganz schnell wie verkleidet aus.“ Darüber hinaus könne der Stylist im Hintergrund sehr viel bewirken. „Man kann mit Kleinigkeiten Statements setzen und mit einem besonderen Styling Persönlichkeiten kreieren.“

Jüngstes Beispiel: Als Herzogin Catherine bei der Verleihung der britischen Filmpreise, den Baftas, kürzlich nicht wie viele andere Unterstützerinnen der „Time’s-Up“- und „#Metoo“-Bewegung in Schwarz über den Roten Teppich flanierte, sondern in Grün, hagelte es Kritik. „Dabei hat ihre Stylistin Natasha Archer ihr möglichstes getan, um entsprechende Akzente zu setzen“, sagt Juliane Kahl. Der schwarze Gürtel und die schwarze Handtasche seien Statement genug gewesen, schließlich dürfe die Herzogin laut Protokoll zu solchen Debatten keine Stellung beziehen.

Wird der Starauftritt zum modischen GAU ist der Stylist schuld

Das Styling bei Großevents ist eine heikle Angelegenheit und kann auch ziemlich in die Hose gehen. So gilt der Auftritt der isländischen Sängerin Björk bei der Oscar-Verleihung im Jahr 2000 als stilistischer Supergau. Modeexperten erkennen allerdings die Authentizität der exzentrischen Trägerin an, die in ihrem Schwanenkleid von Marjan Pejoski auch noch Straußeneier auf dem roten Teppich verteilte. Das Outfit brannte sich ins Gedächtnis und ihr Kleid hängt mittlerweile im Museum of Modern Art in New York.

Oder auch der Auftritt von Angelina Jolie im schwarzen, hochgeschlitzten Versace-Kleid in der Oscar-Nacht 2012. Die Verleihung war noch nicht mal vorbei, da hatte Angelina Jolies rechtes Bein bereits einen eigenen Twitter-Account (@AngiesRightLeg). Ein Name für ihren staksigen Auftritt war auch schnell gefunden: „Angelegging“. Jolie sagte später, sie habe sich in der schwarzen Samtrobe „wie in einem Müllsack gefühlt“. Ihre Stylistin Jennifer Rade musste sich danach einen anderen Auftraggeber suchen. „Daran kann man sehen, wie dünn das Eis ist, auf dem man sich als Celebrity-Stylist bewegt“, sagt Sabine Resch. Schließlich könnte man ja auch konstatieren, dass das Kleid an sich nicht das Problem war, sondern eher Jolies exaltierte Pose.

Stylisten sind meist Quereinsteiger

Für das Arbeitsfeld des Stylisten gilt vorwiegend der Quereinstieg, weil es keine Regelausbildung gibt. Also hat sich der Markt selbst Wege geschaffen, den Beruf in der Arbeitswelt zu etablieren. In der Regel läuft dies wie bei Juliane Kahl über den Beruf des Modedesigners oder des Kostümbildners. Anschließend eignet man sich über Praktika bei bei Modelabels oder Modemagazinen die Kunst des Stylings an. Eine Art Einsteigerkurs (zehn Wochenenden) bietet die AMD Akademie Mode & Design (www.amdnet.de).

So neu wie das Berufsbild klingt, ist es übrigens gar nicht. „Bereits Marlene Dietrich hatte einen eigenen Stylisten, nur hießen diese damals noch nicht so“, sagt Sabine Resch. Das war Travis Benton, der verantwortlich für den legendären Marlene-Hosen-Look war. Sogar schon im 18. Jahrhundert gab es so etwas wie Stylisten, allerdings hießen sie damals noch Putzmacherinnen und waren von Beruf Modistin (Hutmacherin). So hatte Königin Marie-Antoinette eine Haus- und Hof-Stylistin: Rose Bertin. Man nannte sie die Modeministerin der Königin.