Beim Podium zur Landtagswahl gehen die Spitzenkandidaten auf Distanz zu der Rechtspartei AfD. Die Flüchtlingspolitik steht im Mittelpunkt der Diskussion. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein CDU-Herausforderer Guido Wolf wetteifern darum, wer die Kanzlerin besser verstehe.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Guido Wolf hatte sich ziemlich sputen müssen, um noch rechtzeitig aufs Gruppenfoto zum Auftakt zu kommen. Um 18 Uhr hatte der CDU-Spitzenkandidat eine Wahlkampfveranstaltung mit Angela Merkel in Freiburg zu absolvieren, dann ging es im Eiltempo über die Autobahn nach Stuttgart. „Mit quietschenden Reifen“ sei er eingetroffen, begrüßte ihn der StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs, der das Podium zur Landtagswahl gemeinsam mit dem landespolitischen Korrespondenten Reiner Ruf moderierte. Freundlichen Beifall gab es für alle sechs Spitzenkandidaten – vorneweg für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), seinen Herausforderer Wolf, Nils Schmid von der SPD, Hans-Ulrich Rülke (FDP), Bernd Riexinger (Linke), aber auch für Jörg Meuthen von der AfD.

 

Gleich zu Beginn ging es um Meuthens Partei. Im Auftrag einer StZ-Leserin wurde Kretschmann gefragt, warum er zunächst ein Aufeinandertreffen mit dem AfD-Vormann vermeiden wollte. Was sei denn das für ein Demokratieverständnis? Der Grüne tat, was er derzeit öfter tut: er las aus dem Parteiprogramm vor, das „die Sprache von Rechtsextremisten“ spreche.

Heiße Debatte um die AfD

Auch Nils Schmid konstatierte, die AfD sei keine normale demokratische Partei. „Anständige Leute wählen keine Rassisten“, sagte er unter Beifall des Publikums. Da müsse es eine „rote Linie“ geben. Meuthen selbst zeigte sich wenig verwundert über die Kritik. Die anderen Parteien hätten eben „Angst um ihre Pfründe“, das erkläre die aggressiven Töne. Es sei maßlos übertrieben zu sagen, Merkel locke Hunderte von Millionen Menschen nach Deutschland? Die Kanzlerin habe fraglos „den Magneten angestellt“, erwiderte der AfD-Vormann. Rechtskonservativ oder rechtsliberal dürfe man seine Partei gerne nennen – aber rechtsradikal nicht. Ob er nicht das „Gift des Zweifels“ sähe, wenn er Wahlbeobachter fordere? Dafür gebe es einen Anlass, antwortete Meuthen: In Bremen habe es nachweislich einen Wahlbetrug gegeben, zu Lasten der AfD. Das sei keine Erfindung, „sondern ein Faktum“. In die AfD-Kritik stimmte auch FDP-Vormann Rülke ein, der seine Partei als „Alternative für Demokraten“ empfiehlt. Der Unterschied: Man kritisiere die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die ihren Kurs ja zu ändern beginne, aber hetze nicht gegen Flüchtlinge.

Auch Guido Wolf ging den AfD-Chef scharf an: Er solle besser aufpassen, was seine Kandidaten in den Wahlkreisen machten. Deren scharfmacherische Äußerungen „passen nicht in dieses Land“. Wolf lobte, dass die demokratischen Parteien gegen die AfD zusammen stünden; so solle es bleiben. Man rede „schon wieder viel zu lange über die AfD“, kritisierte der Linken-Kandidat Bernd Riexinger. Zu den drängenden Fragen der Landespolitik habe die Partei schließlich nichts zu sagen.

Auch Wolf plädiert für europäische Lösung

„Flüchtlinge – Chance oder Risiko?“, lautete im Anschluss der erste Themenblock. In einem Einspielfilm wurden dazu viele Sorgen von Passanten artikuliert. Man habe eine „große Krise“, analysierte Kretschmann, und da komme man nur Schritt für Schritt heraus; auch er wolle, wie die Kanzlerin, eine europäische Lösung. Gerade für Europa stehe „unglaublich viel auf dem Spiel“.

Auch Wolf plädierte für eine europäische Lösung. Aber man müsse aufpassen, dass die Akzeptanz der Bürger nicht schwinde; diese wollten Zwischenschritte sehen. Gallig kommentierte Wolf das Werben Kretschmanns für Merkel: Der Grüne habe die Kanzlerin „in ihrem Wirken nicht wirklich verstanden“. Wer von beiden die Kanzlerin denn nun besser verstehe, erkundigte sich Dorfs: „Ich mein’s ehrlicher wie er“, antwortete Wolf. Bei der Ausweisung sicherer Herkunftsländern etwa könne Kretschmann seinen Worten endlich Taten folgen lassen. Den Zeitplan gebe der Bund vor, konterte der Grüne.

Nils Schmid konstatierte eine „große Verunsicherung“ bei den Bürgern. Seine SPD präsentierte er als Garant für den sozialen Zusammenhalt. Mehr bezahlbaren Wohnraum, mehr Ganztagsschulen, genügend Ausbildungsplätze – das brauche man „für alle“. Man dürfe die Bevölkerung nicht gegen die Flüchtlinge ausspielen, sekundierte Bernd Riexinger: „Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.“

Nach einer Stunde wandte man sich anderen Themen zu: Bildung, Verkehr und Energie. Auch da gab es Kontroversen. Einem Appell von Wolf konnten wohl alle Kandidaten folgen. „Lasst uns einen inhaltlichen guten Wahlkampf führen“ , rief er.