Assyrologie zählt zu den so genannten Exotenfächern. Den Absolventen solcher Studiengänge ist gemeinsam, dass sie für das Fach viel Leidenschaft brauchen – und nur mäßige Aussichten auf einen gut bezahlten Job haben.

Heidelberg/Stuttgart - Die dritte Dynastie von Ur, das sich im heutigen Gebiet des Irak befand, nähert sich 2000 Jahre vor Christi Geburt ihrem Untergang. Das Land der Sumerer wird von Feinden aus dem Reich Elam erobert und zerstört. Ihre Sprache, das Sumerische, stirbt aus, und heute können Wissenschaftler nicht einmal mehr Verbindungen zu den uns heute bekannten Sprachen herstellen. Das Sumerische ist also nicht nur tot, sondern auch völlig von anderen Sprachsystemen isoliert. Dennoch finden sich junge Studenten, die sich für die sumerische Sprache interessieren und deshalb Assyrologie studieren. Aber was fängt man mit einer toten Sprache an?

 

Taxifahrer, Lagerarbeiter, Eisverkäufer – Absolventen von Orchideenfächern müssen sich manchmal hämische Vorschläge zu ihren Zukunftsperspektiven in der Berufswelt anhören. Ihre Chance für eine feste Stelle stehen im Vergleich zu BWL- oder Jura-Studenten viel schlechter. Ägyptologen, Sprachwissenschaftler oder Kristallographen müssen nicht nur viel geduldiger bei der Jobsuche sein. Wenn sie dann mal einen Arbeitsplatz ergattern, müssen sie damit rechnen, dass am Ende des Monats netto nicht sehr viel herausspringt. Aber ob nun Skandinavistik, Tibetologie oder Onomastik (Namenforschung) – die Studenten dieser Fächer sind sich der dürftigen Berufsumstände bewusst. Sie studieren – man glaube es oder nicht – aus Leidenschaft.

Tausende alte Tontafeln mit Keilschrift

Saskia Baderschneider, Studentin der Assyrologie an der Universität Heidelberg, weiß genau, was sie an den alten Sprachen des Orients so begeistert: „Das schönste Gefühl ist, wenn man einen uralten Text entziffert und ihn versteht. Man hat eine Verbindung in die Vergangenheit und kann nachvollziehen, was die Menschen dachten und fühlten.“ Die Grundlage der Assyrologie sind tausende von beständigen Tontafeln, die über die Jahrhunderte hinweg erhalten geblieben und mit der ersten Schriftsprache der Menschheit beschrieben sind: der Keilschrift. Diese zu enträtseln erfordert „viel Geduld, Fleiß und einen Hang zur Penibilität“, sagt Bettina Faist, Dozentin der Assyrologie in Heidelberg. Sumerisch, Akkadisch und Hethitisch zu lernen ist nicht dasselbe, wie Englisch oder Französisch zu pauken: „Es ist Puzzle-Arbeit, man muss einen Entdecker-Instinkt haben. An diesen Anforderungen scheitern die meisten“, sagt Faist.

Ein bisschen also muss man für die Assyrologie geschaffen sein. So wie Anmar Fadhil. Er stammt aus Bagdad, hat dort seinen Bachelor in Altorientalistik gemacht, dann seinen Master in Heidelberg und arbeitet nun eben dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Assyrologie. Sein Vater kam einst aus dem Irak nach Deutschland, um die Assyrologie an der Universität zu vertreten. Jetzt will Fadhil den Weg, den sein Vater gegangen ist, wieder zurück in die Heimat machen und an der Universität in Bagdad lehren: „Ich will das, was ich hier gelernt habe, in meiner Heimat weitergeben“, sagt er.

Die meisten Assyrologen gehen in die Forschung

So machen es viele Assyrologen. „Wir sind ein sehr internationaler Studiengang“, sagt Stefan Maul, Professor für Assyrologie an der Universität Heidelberg. „Studenten aus aller Welt machen hier ihren Abschluss und kehren dann in ihre Heimat zurück, um unser Fach zu vertreten.“ Auf dem freien Markt haben es Assyrologen schwer, an einen Job zu kommen. Die meisten peilen deshalb die Forschung an, weil es die besten Perspektiven bietet: „In den Museen lagern Abertausende von Tontafeln, die nicht entschlüsselt sind“, so Maul. Da sind Assyrologen gefragt, die den Geheimnissen des Orients auf den Grund gehen wollen. Genau darauf bereitet Maul seine Studenten vor. Das sei wichtig, so der Professor, denn der Orient ist „die Wiege unserer Zivilisation. Schon in Keilschriften finden wir Geschichten, die später in die Bibel übernommen worden sind.“

Aber es ist ein langer Weg vom unerfahrenen Studenten zum gestandenen Wissenschaftler, der gewissenhaft Keilschriften entziffert. „Man muss sich dieses Fach zur Lebensaufgabe machen“, sagt Maul, ohne zu übertreiben. Denn wer sich unsicher ist mit seinem Orchideenfach und nicht voll dahinter steht, sollte es lieber lassen.