Der Rathauschef Fritz Kuhn (Grüne) präsentiert sich bei „StZ im Gespräch“ im Haus der Wirtschaft inhaltlich sattelfest – und überzeugt auch mit seiner lockeren Art.

Stuttgart - Die Kurie in Rom dürfte es freuen, dass Fritz Kuhn den Posten des Stuttgarter Oberbürgermeisters nicht mit dem Amt des Oberhirten der katholischen Kirche für vergleichbar hält. Gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion „StZ im Gespräch“ am Mittwochabend sah er sich mit der Frage konfrontiert, ob er dem früheren SPD-Parteichef Franz Müntefering zustimmen könne, der seinen damaligen Job als das schönste Amt nach dem des Papstes bezeichnet hatte. „Mit dem SPD-Vorsitz kann man es auch nicht vergleichen, denn ob das ein schönes Amt ist, steht dahin“, so Kuhn. Die SPD-Stadträte im Publikum rangen sich ein eher gequältes Lächeln ab.

 

Die Fraktionschefin der Genossen im Gemeinderat, Roswitha Blind, erteilte dem neuen grünen OB dennoch ein Lob: „Er war locker und hat kluge Antworten gegeben.“ Dass Kuhn sich für den Wohnungsbau starkmachen und dazu mit dem Land über entsprechende Förderprogramme sprechen will, entspreche dem Willen der SPD. Blind: „Das hat er uns vor dem zweiten Wahlgang zugesagt.“ Auch beim Thema Verkehr sind die Sozialdemokraten mit Kuhn einig: „Der Autoverkehr muss gezähmt werden.“ Selbst beim grün-roten Streitthema Stuttgart 21 hat Blind Gemeinsamkeiten zwischen der SPD und Kuhn festgestellt. Dass es eine Vertrauenskrise gebe, sei ebenso richtig wie Kuhns Aussage, nach einem möglichen Ende des Projekts werde nichts einfacher als bisher.

In der Diskussion mit StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs und Lokalchef Holger Gayer zeigte sich der Rathauschef rhetorisch versiert und inhaltlich gut präpariert. Für seine Feststellung, in Stuttgart seien jetzt genügend Einkaufszentren gebaut worden, erntete er ebenso Beifall aus dem Publikum wie für seine Aussagen zum Thema Feinstaubbelastung und Verkehrsreduzierung. Geschickt verknüpfte Kuhn die Themen Wohnungsbau und Verkehr, indem er die Zuhörer an Zeiten erinnerte, in denen sie selbst noch ohne Gefahr auf der Straße spielen konnten.

OB Kuhn sieht die Legitimation des Plebiszits bröckeln

Die provozierende These von Lokalchef Gayer, das höre sich an, als ob demnächst auf der Weinsteige wieder Postkutschen statt Autos verkehrten, nannte Kuhn „Quatsch“. Es gehe darum, das Thema Kinderfreundlichkeit auch schon beim Bau und der Planung neuer Stadtquartiere mitzudenken.

Beim Hauptstreitthema in der Stadt, dem umstrittenen Bau des S-21-Tiefbahnhofs, hatte Kuhn – angesichts der von der Bahn eingestandenen Kostenexplosion – von einer durch die Bahn verursachten „Vertrauenskrise“ gesprochen und dabei auch den Bahn-Chef Rüdiger Grube nicht ausgeklammert. Dieser habe erst im Dezember 2012 in einem Zeitungsinterview eingeräumt, schon bald nach seinem Amtsantritt gemerkt zu haben, dass die berechneten Kosten von 4,5 Milliarden Euro nicht ausreichten. „Warum hat er das nicht mal vor der Volksabstimmung gesagt?“, fragte Kuhn.

Auch wenn er sich dagegen verwahrte, beim Thema S 21 einen Gegensatz zwischen ihm und Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu konstruieren, so wurde doch in der Wortwahl deutlich, dass Kuhn anders als sein Parteifreund ein Mann deutlicher Worte ist. Während Kretschmann sich wiederholt „sehr erstaunt“ über das Gebaren der Bahn äußerte, zeigte sich Kuhn „schockiert“ über die Kostensteigerung auf bis zu 6,8 Milliarden Euro. Und während Kretschmann und seine Staatsrätin Gisela Erler beteuern, das Ergebnis der Volksabstimmung zu S 21 gelte unverändert, weil den Bürgern klar gewesen sei, dass das Projekt teurer werden könne, sieht der OB die Legitimation des Plebiszits bröckeln.

Eisenmann freut sich über Kuhns Aussagen zur Kulturförderung

Der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, der Kuhn im Übrigen einen gelungenen Auftritt bescheinigte, sieht den OB freilich in der Pflicht, in erster Linie Stuttgarts Interessen zu vertreten: „Seine Frage, ob sich die Bahn das leisten kann, ist für mich als Stadtrat nicht relevant. Es ist nicht unsere Aufgabe zu verhindern, dass die Bahn ein womöglich unprofitables Projekt baut.“ Positiv fand Kotz, dessen Fraktion die geplanten Wohnungen im Neckarpark bis jetzt strikt ablehnt, dass Kuhn mehr Wohnraum in der Stadt schaffen wolle. Dies sei aber ein komplexes Thema. Auch bei der Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs könne die CDU mitgehen.

Gefreut hat sich die Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann über Kuhns Einlassungen zur Kulturförderung: „Ich finde es gut, dass er das Thema ganz oben auf die Tagesordnung setzen will.“ Eisenmann weiß aber auch, dass etwa das von Kuhn ausgegebene Motto „Filmstadt Stuttgart“ in den kommenden Haushaltsberatungen erst einmal finanziell unterfüttert werden muss. Für ein Filmhaus etwa müsste die Stadt 500 000 bis 600 000 Euro pro Jahr bereitstellen.