Der Marketingmanager der Stuttgarter Kickers, Jens Zimmermann, spricht über die neue Vereinsstruktur und erklärt, warum er den Drittligisten verlässt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)
StuttgartJens Zimmermann blickt gerne auf vergangene Kickers-Zeiten zurück – mit dem charismatischen Präsidenten Axel-Dünnwald-Metzler oder dem Trainer Wolfgang Wolf, der im Lauf der Zeit ein Freund von ihm geworden ist. Weniger begeistert zeigt sich der Marketingmanager von den aktuellen Entwicklungen beim Stuttgarter Fußball-Drittligisten und zieht daraus für sich nun auch die Konsequenz. „Am Ende des Jahres ist Schluss für mich bei den Kickers“, sagt der 40-Jährige.
Herr Zimmermann, die Kickers-Vereinsführung hat sich bei der Mitgliederversammlung feiern lassen, unter anderem dafür, dass die Finanzen wieder im Griff zu sein scheinen. Haben Sie mitgefeiert?
Auf den ersten Blick ist doch alles wunderbar, und die angekündigten Ziele wurden erreicht.

Angeblich hat eine Erbschaft von rund 300 000 Euro das Ergebnis entsprechend positiv beeinflusst.
Die außerordentlichen Erträge waren überdurchschnittlich hoch, das hat jedes Kickers-Mitglied wohl sehr gefreut.

Zuvor hat der Verein schon eine Million Euro von der Quattrex Sports AG erhalten.
Ein Geschäftsmodell, ja. Keine Spende oder ein Sponsoring.

Die Quattrex Sports AG mit dem S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich als Investor an der Spitze scheint im Verein eine immer größere Rolle zu spielen.
Das will ich nicht kommentieren.

Das Quattrex-Vorstandsmitglied Tobias Schlauch ist mittlerweile im Kickers-Präsidium für die Finanzen zuständig, und gerade erst wurde Wolfgang Dietrichs Sohn Christoph in den Kickers-Aufsichtsrat gewählt.
Die Gremien wurden bei der vergangenen Mitgliederversammlung neu geordnet.

Sind Sie der Meinung, dass die Kickers mit dem neuen Geschäftsmodell ihre Seele verkauft haben?
Lassen Sie es mich so ausdrücken: bei dem Streben nach Professionalisierung dürfen die Werte, die die Stuttgarter Kickers immer ausgemacht haben, nicht verloren gehen. Das Familiäre und die Kameradschaft waren in diesem Verein die tragenden Säulen. Die Kickers sind einzigartig und weit mehr als nur ein Wirtschaftsunternehmen.

Bei aller Liebe zur Tradition. Die Stuttgarter Kickers standen immer wieder kurz vor der Pleite.
Richtig. Es gilt aber auch, bei allem Handeln die Balance zwischen der Tradition auf der einen Seite und den wirtschaftlichen Anforderungen des Profifußballs auf der anderen Seite zu finden.

Können die Kickers diese Balance künftig herstellen?
Ich kann nur sagen: jeder Fan muss die Konstellation bei den Kickers in den nächsten Monaten kritisch beobachten. Ich allerdings kann mich nicht mehr mit den Gegebenheiten identifizieren.

Das heißt in der Konsequenz?
Dass für mich am Ende des Jahres Schluss ist bei den Kickers.

Sie sollten doch im Namen des Vermarkters Ufa weiter für die Kickers zuständig sein.
Ich werde den entsprechenden Vertrag nicht unterschreiben.

Auch weil sich der Kickers-Finanzvorstand Tobias Schlauch zuletzt öffentlich negativ über Ihre Marketingarbeit geäußert hat?
Ich habe die ganzen Jahre nicht nur mit Herzblut und Engagement für die Kickers gearbeitet, ich glaube auch, dass sich meine Ergebnisse sehen lassen können.

Sie haben den Vertrag mit dem neuen Hauptsponsor Subaru auf den Weg gebracht und die Marketingerlöse gesteigert . . .
. . . zwischen 2009 und 2012 um 145 Prozent.

Und auch die Anzahl der Sponsoren erhöht.
Von 66 auf 96. Wir haben also viel erreicht in den vergangenen Jahren. Mein berufliches und privates Netzwerk habe ich aus Überzeugung in meine Tätigkeit miteingebracht. Die Arbeit für die Partner, die Sponsoren und die Fans der Blauen war für mich nicht Beruf, sondern stets auch Berufung.

Dennoch sei das alles noch zu wenig im Vergleich zu anderen Drittligisten, meint das Präsidiumsmitglied Tobias Schlauch.
Da werden Äpfel mit Birnen verglichen, wenn man einfach hergeht und fragt: warum erlöst Arminia Bielefeld mehr als wir? Die Antwort ist schließlich ganz einfach: Wir sind hinter dem VfB die Nummer zwei in Stuttgart, das sind dann völlig andere Voraussetzungen, was das Sponsoring angeht. Außerdem haben wir weder teure Logen noch Business-Seats. Zudem engagieren sich bei uns weder Stadtwerke noch die örtliche Sparkasse – das macht bei anderen Vereinen bis zu 40 Prozent des Sponsorenetats aus.

Und dann steht noch der Vorwurf im Raum, dass die Kickers früher grundsätzlich schlecht gewirtschaftet haben.
Als ich 2009 als Geschäftsführer begonnen habe, drohte den Kickers der finanzielle Kollaps. Die fälligen Nachzahlungen und angehäuften Schulden nahmen uns die Luft zum Atmen. Der Verein hatte damals aber das große Glück, Edgar Kurz als neuen Präsidenten zu bekommen. Eine echte Vaterfigur in dieser schwierigen Zeit. Wir haben jeden Cent nicht zwei-, sondern dreimal umgedreht. Damals verdienten viele Kickers-Spieler übrigens keine 1000 Euro im Monat, das Essen bei Auswärtsfahrten habe ich zum Teil aus der eigenen Tasche gezahlt.

Warum ist Edgar Kurz nicht mehr Kickers-Präsident?
Die Chemie zwischen ihm und Personen im Vereinsumfeld hat nicht gestimmt. Edgar Kurz hat die Dinge kritisch angesprochen und nicht alles abgenickt. Und dann hat er für sich die Konsequenzen gezogen.

Und wie geht es nun bei Ihnen weiter?
Es gibt für mich verschiedene berufliche Optionen. Eine Entscheidung wird in den nächsten Tagen fallen. Aber eines ist schon jetzt ganz sicher: die Stuttgarter Kickers werden für mich immer eine Herzensangelegenheit bleiben.