Der Baubürgermeister ist derselbe wie vor 15 Jahren, der Brandschutzdirektor auch. Was hat deren abrupten Sinneswandel ausgelöst?
Unmittelbarer Anlass war, dass das Theater im Fernsehturm eine neue Genehmigung beantragt hat. Bei der Bearbeitung dieses Antrags kam das Baurechtsamt zu dem Schluss, dass eine Genehmigung nicht möglich ist, weil die Fluchtwege fehlen. Das führte dazu, dass man sich den Turm noch mal ganz prinzipiell angeschaut hat. Ich kann nur sagen, dass sich in den Behörden die Auffassung in puncto Fluchtwege geändert hat. Die aktuellen Argumente waren und sind für mich nachvollziehbar.

Wenn heute die Schließung richtig ist, war es dann im Umkehrschluss falsch, in der Vergangenheit das Risiko einzugehen?
Auch in Brandschutzgutachten der Vergangenheit wurde die Frage der Fluchtwege kritisch beleuchtet. Die Strategie war aber, dass die brandschutzmäßige Ertüchtigung des Turmkorbs zu einer akzeptablen Risikominderung führt. Das wird heute anders gesehen. Natürlich hätte man in der Vergangenheit diese Fragen immer stellen können – spätestens seit in Moskau der Fernsehturm gebrannt hat und es dort Todesopfer gab. Andere Türme in Deutschland sind ja geschlossen worden. Andererseits ist es mir lieber, wenn die Experten jetzt ihre Meinung ändern als gar nicht.

Welche Konsequenzen ziehen Sie denn daraus auch für andere Gebäude in Stuttgart?
Wir müssen einen Mittelweg finden, der den Brandschutz jederzeit gewährleistet, aber dabei nicht in Hysterie verfallen .  . .

Getreu dem Motto von Erich Kästner: Das Leben ist immer lebensgefährlich?
Mit solchen Sprüchen wird man dem Problem nicht gerecht. Ich will mich jedenfalls nicht dem Vorwurf aussetzen, ich sei leichtfertig mit den vorliegenden Warnungen umgegangen. Sonst hätte ich im Ernstfall zu Recht Besuch vom Staatsanwalt bekommen. Natürlich verstehe ich, dass viele Bürger sagen: Es ist doch 57 Jahre lang gutgegangen. Aber daraus folgt nicht, dass es auch 58 Jahre lang gutgehen muss.

Können Sie den damals wie heute Verantwortlichen noch vertrauen?
Ja, denn sie haben gezeigt, dass sie ihre Risikobeurteilung verändern können. Man hätte das Thema ja auch unter den Teppich kehren können. Das war nicht der Fall, und dazu gehört auch Mut.

Trotzdem sind die Reaktionen auf die Turmsperrung überwiegend negativ. Haben Sie in der Kommunikation alles richtig gemacht?
Es ist doch klar, dass man für solch eine Entscheidung kein Lob einheimst. Ich habe versucht, klar zu kommunizieren. Ich räume ein, dass es an einer Stelle Schwierigkeiten gab: Ich habe den SWR-Intendanten in einem dritten Telefonat gegen 13 Uhr darüber informiert, dass wir den Turm mit sofortiger Wirkung schließen müssen. Ich bin davon ausgegangen, dass der SWR die Gastronomen und die Turmbeschäftigten, mit denen er entsprechende Verträge abgeschlossen hat, informiert. Der Intendant hat aber auf die offizielle Zustellung des Beschlusses gewartet, der erst am nächsten Tag eingegangen ist. Das hätte man besser absprechen können, aber ich will da nicht mit dem Finger auf den SWR zeigen.