Im seinem ersten großen Interview nach fast 100 Tagen im OB-Amt hat Fritz Kuhn die von ihm verfügte Sperrung des Fernsehturms gerechtfertigt. Kritik übte der Rathauschef an der Bahn, die gedroht hatte, die Mehrkosten bei S 21 notfalls einzuklagen.

Stuttgart Seit dem 7. Januar lenkt der Grünen-Politiker Fritz Kuhn die Geschicke der Landeshauptstadt als Rathauschef. Überschattet wird die erste Etappe seiner achtjährigen Amtszeit von der Sperrung des Fernsehturms. Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung rechtfertigt Kuhn die Schließung. Außerdem will er bis zum Sommer einen Aktionsplan gegen Feinstaub und Stickoxide vorlegen.
Herr Kuhn, kennen Sie sich inzwischen im Stuttgarter Rathaus aus?
Ja logo. Ich habe die ersten 100 Tage dazu genutzt, die Verwaltung kennenzulernen. Und ich habe eine regelmäßig tagende Bürgermeisterrunde eingeführt, in der alle wichtigen Fragen besprochen werden, damit die Verwaltung an einem Strang zieht. Die Mitarbeiter sind freundlich und motiviert. Sie setzen auch auf einen gewissen Neuanfang, gerade was die Motivation angeht. Ich habe den Eindruck, dass wir in den vergangenen Jahren in der Verwaltung beim Personal zu stark eingespart haben und manche Ämter deswegen knapp ausgestattet sind.

Heißt das, dass Sie in den kommenden Haushaltsberatungen das Füllhorn ausschütten und neue Leute einstellen wollen?
Das heißt es nicht, denn wir müssen ja auf das Geld achten. Es gibt aber viele Stellenanmeldungen aus den Ämtern selbst, die mehr Mitarbeiter brauchen. Ich will versuchen, einen Ausgleich zu schaffen zwischen notwendigen Investitionen und der personellen Ausstattung der Verwaltung. Wir als Verwaltung sowie die Fraktionen im Gemeinderat werden bei den Personalstellen Prioritäten setzen müssen.

Sie haben Ihre Amtszeit mit einem echten Paukenschlag begonnen – und damit meinen wir nicht Ihre Ausführungen zu Stuttgart 21 in Ihrer Antrittsrede, sondern die Sperrung des Stuttgarter Fernsehturms. War das wirklich nötig?
Das war ja nicht wirklich der Beginn meiner Amtszeit. Fakt ist: nachdem ich etwa 85 Tage Rathauschef war, kamen die zuständigen Amtsleiter und Bürgermeister und haben mir gesagt, der Fernsehturm habe im Brandfall keinen einzigen sicheren Fluchtweg. Folglich blieb mir nichts anderes übrig, als den Turm zu schließen. Was wäre passiert, wenn es tatsächlich einen Brand – womöglich mit Todesopfern – gegeben hätte? Dann hätten die Zeitungen geschrieben: Kuhn hat Bescheid gewusst, warum hat er nicht gehandelt? Es ist mein Interesse, den Turm wieder aufzumachen, aber nur, wenn die brandschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Deswegen haben wir gemeinsam mit dem Turmeigentümer SWR ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nach verantwortbaren Lösungen sucht.

Hätten es weniger einschneidende Maßnahmen nicht auch getan?
Nein. Die Ansage aus dem Baurechtsamt und von der Branddirektion war, dass es keinen sicheren Fluchtweg gibt. Das bisherige Evakuierungskonzept sah vor, dass die Besucher auf der Turmplattform abwarten sollten, bis das Feuer gelöscht ist und dann über die Aufzüge und die Treppe in Sicherheit gebracht werden. Wenn es aber im Turmschaft brennt, sind Aufzug und Treppe nicht mehr nutzbar. Das heißt, dass wir die Leute, die oben im Turm auf ihre Evakuierung gewartet hätten, womöglich nicht runtergebracht hätten.

Wenn wir richtig informiert sind, ist der Zugang zur Treppe nach unten seit 1982 abgeschlossen. Mindestens so lange war die Treppe also nicht nutzbar?
Ja, so sieht es aus. Natürlich habe ich vor der Entscheidung gefragt, ob es andere Möglichkeiten der Abhilfe gibt, zum Beispiel zusätzliche Brandwachen. Die Experten, die schon lange in der Verantwortung sind, haben gesagt, dass dies die fehlenden sicheren Fluchtwege nicht ersetzt. Deswegen musste ich handeln. Ich bin keiner, der der Verantwortung ausweicht.