Der StZ-Leserbeirat diskutierte über die Wirtschaftsberichterstattung in der Stuttgarter Zeitung, über mutige Themensetzung, die Automobilindustrie und das goldene Handwerk. Der Austausch fand statt mit dem Chefredakteur, Joachim Dorfs, und der Ressortleiterin Wirtschaft, Anne Guhlich.
Stuttgart - Dieselgate, E-Mobilität, Fahrverbote, die Transformation eines ganzen Industriezweigs: diese wichtigen Themen spielen allesamt in der Schlüsselindustrie der Republik – und Stuttgart ist eines der wichtigsten Zentren dafür. „Wenn der Umbau nicht gelingt, haben wir in der Region ein Arbeitsmarktproblem vom Feinsten“, sagte der Leserbeirat Andreas Bauer und fasste damit die Bedeutung der Automobilindustrie in einem Satz zusammen. Am Dienstagabend sprachen die Leserbeiräte der StZ mit dem Chefredakteur, Joachim Dorfs, und der Leiterin des Ressorts, Anne Guhlich, über die Wirtschaftsberichterstattung in der StZ.
Herausforderungen in der Automobilindustrie
Anne Guhlich: „Wir wollen bei den Themen, die unsere Region so massiv betreffen, immer vorne dabei sein.“ Der Wandel in der Automobilindustrie, die Herausforderungen der Digitalisierung – und all das inmitten von Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China beschäftigten ihr Ressort besonders. „Wir wissen, wenn die Automobilindustrie Schnupfen hat, steht die Region vor der Lungenentzündung“, ergänzte Joachim Dorfs. Aber wer, wenn nicht die Region Stuttgart, sollte „zum Labor für den Umbau“ werden, was die StZ kritisch begleite. Manchmal diskutiere die Redaktion aber auch, ob die StZ über dieses Thema zu viel schreibe.
„Sie können nicht genug über die Automobilindustrie und die Zulieferer berichten, auch lange Analysen und Kommentare werden gelesen, und stellen Sie Verbindungen und Konsequenzen für die Region und die Bürger heraus“, forderte Andreas Bauer. Jeder kenne doch einen, der beim Daimler schaffe, ergänzte der Verleger Volker Hühn.
Autokonzerne haben E-Mobilität verschlafen
Christoph Scharf, Lehrer für Wirtschaft, meinte, dass die Autokonzerne die Entwicklung hin zur E-Mobilität verschlafen hätten. Anne Guhlich widersprach: „Ich glaube das nicht. Ohne große Reichweite waren die E-Autos ein Nischenprodukt und nichts für den Volumenmarkt. Das ändert sich jetzt, es wurde sehr viel aufgeholt.“
Keine Sitzung des Leserbeirats vergeht derzeit ohne eine Diskussion über Fahrverbote. Und die Meinungen der Beiräte gehen so weit auseinander, wie die Ansichten in der Stuttgarter Gesellschaft. „Ich finde, die Politik hat uns in Stuttgart allein gelassen“, meinte Jutta Beate Schmidt, eine leidenschaftliche Autofahrerin, die ihren Euro-4-Diesel verschrotten ließ, „obwohl er gar nicht schrottreif war“. Das Auto sei ihr „Stück Freiheit.“ Andrea Asche sieht es umgekehrt: „Durch die Tarifreform, die die StZ in einem Leitartikel von Thomas Durchdenwald hervorragend mit dem Thema Diesel und den Fahrverboten in Verbindung gebracht hat, fahre ich für 26 Euro im Monet durch Stuttgart, sooft ich will. Das ist Freiheit für mich.“
Leserbeirat: Gremium tagt seit 2014
Bereits seit 2014 trifft sich der StZ-Leserbeirat, der sich in diesen Jahren auch immer wieder erneuert hat, zweimal im Jahr zum Austausch, auch zum Schlagabtausch. Denn auch wenn die Leserbeiräte „ihre StZ“ wertschätzen, so üben sie auch Kritik. „Wenn ich in der Welt unterwegs bin, bekomme ich mit, was passiert, meine Zeitung sollte die Welt aber auch zu mir bringen“, sagte Andreas Engelke, der für den Automobilzulieferer Bosch arbeitet. „Berichten Sie uns noch mehr davon, wie andere ihre Probleme lösen“, forderte er.
Themen wie Cum-Ex beleuchten
Auch wünschten sich die Leserbeiräte eine noch größere Themenvielfalt im Wirtschaftsressort: „Wir haben nicht nur die Automobilindustrie, sondern viele interessante Branchen im Land, die Medizintechnik etwa“, meinte Christoph Scharf. Bürokratieabbau ist das Wunschthema von Martin Huttenlocher: „Zu mir kommen jeden Tag Unternehmer, die schier zusammenbrechen ob dieser Last“, sagte der Steuerberater. Auch Themen wie die Cum-Ex-Geschäfte oder die neue Seidenstraße sollten im Blick bleiben, meinten die Beiräte. „Und berichten sie mehr über das Handwerk. Das hat goldensten Boden“, meinte Andreas Bauer. Jeder Häuslebauer und Gärtlebesitzer suche derzeit händeringend nach einem Handwerker, warte Monate und zahle hohe Preise, aber kaum einer wisse noch, was ein Flaschner arbeite.