Bei der StZ-Podiumsdiskussion zum Thema Mobilität wird deutlich, dass es das eine Patentrezept gegen den Stau nicht gibt. Viele Hoffnungen auf der Kombination verschiedener Verkehrsarten. Scharmützel gab es rund um die E-Mobilität.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Stuttgart sei zwar die Stadt des Automobils – „aber sicher nicht die Stadt der Mobilität“, hat StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs am Dienstagabend das Dilemma der Stadt umrissen und damit die Diskussion über die Frage „Wie bleibe ich in der Stadt mobil?“ eingeleitet. Für Antworten vor zahlreichen Leserinnen und Lesern der StZ im Hegel-Saal sorgten Ola Källenius, designierter Daimler-Chef, Steffen Bilger, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Fritz Kuhn, Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart.

 

Källenius billigte der Landeshauptstadt das Potenzial zu, eine der Städte zu werden, „wo Mobilität vorbildlich möglich ist“, sagte der 49-jährige Schwede, der im Mai kommenden Jahres an die Spitze des Daimler-Konzerns aufrücken soll. Und auch heute sei nicht alles schlecht. „Ich habe es auch in unter 15 Minuten von Untertürkheim hier her geschafft“, sagte der Automobilmanager.

Kuhn fordert mehr gegenseitige Rücksichtnahme

Wenn es nach Fritz Kuhn geht, soll die Zahl von Fahrten dieser Art künftig stark zurückgehen. Der Rathaus-Chef hält an seinem Ziel fest, den motorisierten Individualverkehr im Stadtkessel um 20 Prozent zu reduzieren. „Dann haben wir weniger Stress in der Stadt und mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer in der Stadt.“ Kuhn warb für mehr Rücksichtnahme aufeinander: „Die autogerechte Stadt Stuttgart, die nach dem Krieg entstanden ist, zu einer Stadt umzubauen, in der die Gleichberechtigung aller Verkehrsarten realisiert ist, ist eine große Herausforderung“.

Steffen Bilger erinnerte den OB daran, dass mit Straßenausbauten in der Peripherie das Ziel der Verkehrsreduzierung in der City zu erreichen wäre. „Mit dem Nord-Ost-Ring und der Filderauffahrt haben Sie 20 Prozent weniger Verkehr in der Stadt“, sagte Bilger, der als Ludwigsburger die angespannte Lage auf den Straßen der Region aus eigener Anschauung kennt. Man werde bei allen Bemühungen zum Umstieg um den Aus- und Neubau auch des Straßennetzes nicht herumkommen, sagte der 39-jährige CDU-Politiker und verwies auf die steigenden Einwohnerzahlen in der Stadt und in der Region.

Kuhn setzt hingegen auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Er gab Chefredakteur Joachim Dorfs recht, dass die Tarifreform im VVS-Bereich zwingend von Ausbaumaßnahmen bei Bus und Bahn flankiert werden müsse. Dass das aber nicht von heute auf morgen funktioniere, zeigte Kuhn exemplarisch am Ausbau der Stadtbahnlinie U1, die längst an der Kapazitätsgrenze fährt. Bis auf der Strecke zwischen Fellbach und Heslach allerdings die Langzüge der Stadtbahnen eingesetzt werden können, werde „es 2025 oder 2026“, so Kuhn. Insgesamt sieht er die Entwicklung auf dem richtigen Weg. „Nicht umsonst wächst der VVS fast doppelt so stark wie andere Verkehrsverbünde. Man müsse sich beim Umbau des Verkehrsnetzes „die jeweils beste Lösung aus allen Bereichen“ vornehmen, sagte Kuhn und führte exemplarisch das Projekt einer Seilbahn zwischen dem Eiermann-Campus und dem Industriegebiet Vaihingen an. Dessen Realisierungschancen bezifferte Kuhn auf 60 Prozent.

Daimler verspricht deutlich mehr Angebote bei E-Mobilen

Ola Källenius sah in der Vernetzung verschiedener Verkehrsträger ein hohes Potenzial, die Mobilität auch in der Stadt der Zukunft sicherzustellen. „Wir müssen verschiedene Angebote miteinander kombinieren“. Die Verkehrsströme müssten besser gesteuert werden, „damit wir die individuelle Mobilität auch weiterhin gewährleisten können“. Möglich sollen das auch E-Mobile mit dem Stern machen. Kuhns unterschwelliger Vorwurf, es fehle an genau diesen Modellen, wollte Källenius jedoch nicht gelten lassen. „Wir haben diese Autos schon und im Jahr 2019 geht es richtig los. Wir geben jetzt Gas – und zwar emissionsfrei.“

Das nächste Scharmützel lieferte sich der Rathaus-Chef mit dem künftigen Vorstandsvorsitzenden in der Frage elektrischer Linienbusse. Källenius wies darauf hin, dass der Konzern bereits erste Fahrzeuge des e-Citaro genannten Modells verkauft habe – nur nicht vor der Haustüre. „Stuttgart beobachtet das bisher intensiv“. Kuhn konterte, es müsse sichergestellt sein, dass der Bus über die notwendige Reichweite verfüge und die Batterie in den Wintermonaten nicht von der Heizung leergesaugt werde. „Wir kaufen ja bei Ihnen, bekommen den Bus aber erst 2021“, monierte Kuhn.

Leser fordert Abbau von Ampeln

StZ-Leserinnen und -leser, die zum Abschluss der Veranstaltung zu Wort kamen, gaben Kuhn mit auf den Weg, mehr für den Radverkehr zu tun und die Verhältnismäßigkeit bei den Fahrverboten zu wahren. Der Forderung nach Abbau von Ampeln begegnete Kuhn mit der Einladung an den Leser, ihn in die integrierte Verkehrsleitzentrale zu begleiten, um eine Vorstellung von der Komplexität zu bekommen. Für Joachim Dorfs stand zum Schluss fest: „Mobilität ist ein sehr emotionales Thema.“

Was kann Stuttgart tun, um fahrradfreundlicher zu werden? Sehen Sie Antworten im Video: