10 bis 15 Male pro Jahr sind die Mitglieder der BRH Rettungshundestaffel Rems-Murr e.V. unterwegs, um Menschenleben zu retten. Bei der Sommerferienaktion zeigen sie StZ-Lesern, wie sie ihre Hunde auf Einsätze vorbereiten.

Nellmersbach - Nicht eine Sekunde lang riecht Finnley an dem Verbandsmull. Kaum hat er den Duft der Person aufgesogen, die er suchen soll, rennt der Golden Retriever los. Nach etwa 20, 30 Metern wird er langsamer, schnüffelt mal am linken, dann wieder am rechten Wegesrand. Immer weiter geht der Hund den Waldweg hinauf – bis er plötzlich umdreht. Er hat die Spur aufgenommen, weiß die gesuchte Person ganz in der Nähe. Und tatsächlich: hinter einem Baum steht die Vermisste. Weniger als fünf Minuten hat Finnley gebraucht, um sie zu finden. Die Teilnehmer der Sommerferienaktion der Stuttgarter Zeitung sind beeindruckt.

 

Dabei ist Finnley, einer der 27 Hunde der BRH Rettungshundestaffel Rems-Murr, noch in Ausbildung. Insgesamt drei bis vier Jahre dauert es, bis der vierjährige Golden Retriever die Prüfung zum sogenannten Mantrailer ablegen kann – zu einem Rettungshund also, der darauf geschult ist, einzelne Personen zu finden. „90 Prozent der Hunde bestehen diese Prüfung nicht“, sagt Uwe Heck, dem Finnley gehört. Der 56-Jährige ist bereits seit drei Jahren Mitglied der BRH Rettungshundestaffel. Ein kosten- und zeitintensives Hobby, sagt Heck, während die Gruppe zur dritten von vier Stationen aufrückt, die die Rettungshundestaffel an diesem Sonntag im Wald aufgebaut hat. Viermal pro Woche ist er mit seinem Hund unterwegs. „Wenn der Partner nicht mitzieht“, sagt Heck, „hat das hier keine Chance.“ Seine Ehefrau Heike lächelt. Sie ist ebenfalls Teil der Staffel.

Als Rettungshund ist fast jeder Hund geeignet

Es ist heiß an diesem Vormittag, als Andreas Moscal, Zugführer der Staffel, die StZ-Leser auf dem Hundeübungsplatz zwischen dem Wald und der B14 begrüßt. Die Sonne scheint prall auf Moscals Gesicht, kleine Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn. Hinter ihm, verteilt auf dem Rasen zwischen Bäumen und Geräten, stehen seine Kollegen und Freunde neben ihren Hunden: Bretonen, Schäferhunden, Collies, Hütehunden – Mischlingen wie Rassenhunden. „Als Rettungshund ist fast jeder Hund geeignet“, sagt Moscal. Der Reihe nach stellt der 49-Jährige die Mitglieder der Staffel vor. Die Hunde bellen. Auch ihnen ist es heiß. Dann beginnt die Vorführung.

Baily, ein hölländischer Schäferhund, klettert die Sprossen einer Leiter hinauf und wieder hinunter. Taps, ein schwarzer Mischling, überwindet eine Wippe. Amy, eine Bouvier des Flandres, kriecht unter einem etwa 20 Zentimeter hohen Gitter hindurch. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass so ein großer Hund das kann“, sagt Philipp Curle. Der 7-Jährige ist zusammen mit seinem Bruder Felix und dem Vater Michael aus Feuerbach zur Sommerferienaktion gekommen. „Wir sind beide große Hundefans“, sagt Felix. Um die Hunde dazu zu bringen, über Leitern zu laufen oder andere Hindernisse zu überwinden, arbeiten die Hundeführer mit Streicheleinheiten und mit Leckerlis. „Der Hund muss sich bei der Arbeit wohlfühlen“, sagt Moscal. „Nur so macht er gerne mit.“

Vor den Einsätzen herrscht große Anspannung

Zweimal pro Woche treffen sich die Mitglieder der Staffel, um mit ihren Hunden für den Ernstfall zu trainieren. Am Mittwochabend bereiten sie die Tiere auf dem Übungsplatz auf verschiedene Hindernisse und Untergründe vor. Bei einem eingestürzten Haus, nach einer Gasexplosion etwa, dürfen meist nur die Hunde aufs Trümmerfeld. Deshalb müssen sie lernen, sich auch ohne Herrchen oder Frauchen auf schwierigem Terrain zurecht zu finden. Am Samstagnachmittag geht die Staffel in Wälder, in Steinbrüche und auf andere Firmengelände im Rems-Murr-Kreis, wo Einsätze simuliert werden. Dazu verstecken sich ein paar der Mitglieder, die Hunde suchen.

Etwa zehn bis 15 Mal pro Jahr wird die Rettungshundestaffel von der Leitstelle des DRK-Rettungsdienstes angefordert. „Dieses Jahr hatten wir schon sieben Einsätze, mit denen in den angrenzenden Kreisen“, sagt Markus Daiß, der Vorsitzende des Vereins. Wenn tatsächlich einmal etwas passiert – wenn ein Kind sich im Wald verläuft, ein älterer Herr oder eine ältere Dame aus dem Altenheim verschwindet oder wenn ein suizidgefährdeter Mensch vermisst wird – ist es meist schon spät abends. Um Weihnachten herum, sagt Daiß, sei die Suizidgefahr besonders hoch. „Vor so einem Einsatz herrscht schon eine brutale Anspannung“, sagt er. Deshalb könne jedes Mitglied stets spontan entscheiden, ob er oder sie für einen Einsatz bereitsteht. Einsatzzwang oder Pflicht von Vereinsseite gebe es bei der BRH Rettungshundestaffel nicht. Absagen gebe es aber kaum.

Die Arbeit der Rettungsstaffel erfolgt rein ehrenamtlich

Nicht alle 27 Mitglieder besitzen einen eigenen Hund. Manche von ihnen begleiten die Einsätze als Helfer, kümmern sich um den Funkkontakt und Orientierung im Suchgebiet und stehen für sonstige Aufgaben bereit. Wird eine bestimmte Person gesucht, übernimmt häufig ein Mantrailer wie Finnley den Einstieg zur Suche. „Um ihn auf die Spur zu bringen, reicht schon ein Haargummi, eine Socke oder ein angebissenes Stück Wassermelone“, sagt Uwe Heck. „Etwas, an dem die DNA der gesuchten Person haftet.“ Hat der Mantrailer den Umkreis eingeengt, beginnt die Flächensuche. Flächensuchhunde suchen nicht nach einer speziellen Person, sondern nach allen Menschen. „Deshalb finden sie auch mal andere Staffeln, Jäger oder Liebespärchen“, sagt Heck und lacht: „Das passiert gar nicht einmal so selten.“

Um an den Einsätzen teilnehmen zu dürfen, werden die Hunde jedes Jahr aufs Neue geprüft. Doch auch die Hundeführer müssen lernen: Um ihren Standort, etwa im Wald, korrekt anzugeben, müssen sie Distanzen richtig schätzen können. Sie müssen funken und mit topografischen Karten arbeiten können, über die Richtlinien des Dachverbands BRH (Bundesverband Rettungshunde), sowie über die gesetzlichen Vorschriften Bescheid wissen. Wie die Tiere müssen auch sie ihre Kenntnisse einmal pro Jahr auffrischen.

Geld bekommen sie dafür nicht. Die Arbeit der Rettungshundestaffel erfolgt rein ehrenamtlich. Auch die Kosten für die Einsatzfahrzeuge, Spritkosten und die vorgeschriebene Warnkleidung mit Einsatzausrüstung muss der Verein alleine über Spenden tragen. Zudem müssen die Mitglieder die Tierarztkosten und das Hundefutter selbst tragen. „Es ist schade, dass dafür keine staatliche Unterstützung da ist“, sagt Dieter Off. Der 50-Jährige ist mit seiner Tochter Christine nach Nellmersbach angereist. „Ich bin enttäuscht, dass die Staffelmitglieder nichts für ihren Einsatz bekommen“, sagt auch StZ-Leserin Rosemarie Beisswenger aus Stuttgart, die demnächst ihren 75. Geburtstag feiert. „Das ist schon ein großer Zeitaufwand.“ Ihre Unterstützung hätte die Rettungshundestaffel schon einmal sicher.