Ihr kam nichts auf die Haut, das sie nicht auch essen würde. Das war ein Grundsatz von Annemarie Lindner, der im Februar gestorbenen Mitgründerin des Naturkosmetikherstellers Börlind in Calw. Leserinnen und Leser der Stuttgarter Zeitung haben die Firma im Rahmen der Sommerferienaktion besucht.

Calw - Für Annemarie Lindner, die Mitbegründerin der im Calwer Teilort Altburg ansässigen Naturkosmetikfirma Börlind, galt stets ein Gebot: Nichts, das sie nicht auch essen würde, so erklärte es die im Februar im Alter von 95 Jahren gestorbene Pionierin der Naturkosmetik, komme ihr auf die Haut. Diesen Entschluss hatte sie schon in den 1950er Jahren in der DDR gefasst, und daran änderte sich für die gelernte Kosmetikerin auch nichts, als sie 1959 – nach zwei Enteignungen in der DDR – im Nordschwarzwald mit dem Pharmaunternehmer Hermann Börner das Unternehmen Börlind gründete. „Wir halten bis heute an diesem Grundsatz fest“, sagt die Esslinger Drogistentochter Daniela Lindner, die Frau des Geschäftsführers der zweiten Generation, Michael Lindner, und Mitglied der Geschäftsführung. „Denn“, so erklärt sie den Lesern der Stuttgarter Zeitung bei einem Besuch der Firma als Teil der Sommerferienaktion, „wenn eine Frau täglich Lippenstift benutzt, kommen da über die Jahre schon ein paar Kilo zusammen.“ Da sei es gut, wenn man sich sicher sein könne, dass selbst bei der Herstellung von Kosmetik nur natürliche Rohstoffe zum Einsatz kämen und man „den Lippenstift getrost auch essen könnte“.

 

Lindner erläutert beim Besuch des seit 1983 am heutigen Standort residierenden Unternehmens sowie des erst vor wenigen Monaten in Bad Teinach eröffneten Spa, welchen Grundsätzen das 220 Mitarbeiter zählende Unternehmen folgt. Sie verdeutlicht, wie die für den Weltmarkt hergestellten Produkte produziert werden, wie der Versand von 1000 Paketen täglich in alle Welt erfolgt und wer neben den Inhabern der Familienfirma vom Erfolg profitiert.

Hilfe für Frauenprojekt in Nepal

Denn Börlind fördert Projekte wie „Oben auf“ zur Förderung der musischen Bildung im Nordschwarzwald ebenso wie eine Frauenkooperative in Nepal zur Herstellung von Wildem Kirschöl. Börlind ist nicht nur Abnehmer des im Himalaja gefertigten Rohstoffs. Börlind half durch Spenden und Investitionen auch, die für die Herstellung des Öls erforderlichen Pressen nach Nepal zu bringen – und unterstützte die Frauen beim Aufbau der Kooperative.

Was Daniela Lindner an der Kooperative begeistert: Die Frauen investierten das verdiente Geld in ihre Kinder, „und zwar vor allem in deren Bildung“, sagt die Mutter dreier Kinder. Zwei davon arbeiten bereits in der Firma, der 32 Jahre alte Sohn Nicolas sogar schon als Mitglied der Geschäftsführung. Auch die Tochter Vanessa will bewahren, was die Oma Annemarie aufgebaut hat. Nur bei der mit 17 Jahren jüngsten Tochter sei noch offen, ob auch sie in das Familienunternehmen einsteige.

Mitarbeiter testen Produkte an sich selbst

Die Firma verzichtet laut Lindner „auf alle Tierversuche“. Auf die Frage einer StZ-Leserin, wie denn die Produkte getestet würden, hat sie eine überraschende Antwort: „Mit Menschenversuchen“, sagt sie augenzwinkernd. Neben den in der Branche üblichen Tests und Untersuchungen zur Zulassung würden vor allem Mitarbeiter die Produkte ausprobieren – „auf deren Wirkung hin, aber auch um herauszufinden, ob etwa der Duft einer Creme gut ist“.

Zur Fertigung der Produkte setzt die Firma Börlind auf Wasser aus einer eigenen Quelle in 166 Meter Tiefe. Wie gut dieses Quellwasser schmeckt, erfahren die StZ-Leser bei einer Verkostung, während ein kleiner Film läuft, in dem die Firmengeschichte beleuchtet wird sowie die Produktions- und Abfüllabläufe im Detail erklärt werden. Denn der Reinheit wegen können die Besucher nicht in den Produktionsbereich. „Sie würden dort nicht viel sehen, und es bestünde die Gefahr von Verunreinigungen“, erklärt Daniela Lindner, während die StZ-Leser diesen Teil der Firma durch eine gläserne Front ansehen. Dass es dort gerade eher ruhig zugeht, liege an den Sommerferien.

Frauen bevorzugen den Tiegel

Fleißig wird im Versandbereich gearbeitet, denn täglich werden etwa tausend Pakete mit Kosmetika verschickt. Nicht zuletzt in den Iran und nach Südkorea – „dort haben wir einen großen Markt“, so Lindner. Je nach Inhaltsstoffen werden die Produkte in Tuben, in Flaschen oder in Tiegeln abgefüllt. Letzteres sei bei Frauen gefragt, „denn man will ja auch mal so richtig in eine Creme reingreifen können“, sagt Lindner.

Auch das neue Thermenhotel in Bad Teinach schauen sich die StZ-Leser nach dem Besuch in der Produktion noch an. Am Ende sind sie begeistert. „Es war ein interessanter Tag“, sagt etwa Vera Brunzlow, deren Familie einst Drogerien in Bietigheim besaß. „Mich hat es fasziniert, wie in einer doch recht kleinen Firma so nachhaltige Produkte entstehen“, urteilt Birgit Hermanutz. Und Lilo Hartmann findet es klasse, wie bei Börlind eine Philosophie konsequent umgesetzt werde. „Auch dass man sich Partner in Ländern sucht, in denen es den Menschen nicht so gut geht, und man diese unterstützt, finde ich toll“, sagte Hartmann.