Der Politologe Oscar Gabriel analysiert für die StZ nach der Wahlumfrage die Chancen der wichtigsten OB-Bewerber.

Es genügt eine einzige Zahl, um deutlich zu machen, dass eine Woche vor der OB-Wahl noch keine Vorentscheidung gefallen ist: 37 Prozent. So hoch ist laut der Umfrage von Stuttgarter Zeitung und SWR die Zahl derjenigen, die nicht zur Wahl gehen wollen oder sich noch nicht entschieden haben, für wen sie am 7. Oktober stimmen werden. In dieser Zahl verbergen sich für die vier aussichtsreichsten Bewerber um den Chefsessel im Rathaus sowohl Chancen als auch Risiken.

 

Wie stark können die Kandidaten auf der Zielgeraden zulegen oder Stimmenanteile verlieren? Oscar Gabriel hat den Unsicherheitsfaktor für die StZ analysiert: „Aus meiner Sicht sind 37 Prozent Unentschlossene vor einer Kommunalwahl kein hoher Wert.“ Der Politikwissenschaftler der Uni Stuttgart sieht in der Zahl eher einen Nachweis dafür, dass die Stadt durch das Thema Stuttgart 21 noch stark politisiert sei. „Das hat man zuletzt beim Volksentscheid und bei der Landtagswahl gesehen. In beiden Fällen war die Wahlbeteiligung hoch.“

Turner schöpft sein Potenzial nicht aus

Eine Zahl in der Umfrage hält Gabriel für besonders bemerkenswert: Im Lager der potenziellen CDU-Anhänger ist der Anteil der Unentschlossenen bei weitem höher als bei den Anhängern der SPD und der Grünen. „Das zeigt, dass Sebastian Turner bisher nicht in der Lage ist, seine Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Offensichtlich gibt es in Teilen des bürgerlichen Lagers Vorbehalte gegen diesen Kandidaten.“

Aber wie stark könnten sich die Gewichte noch verschieben? Gabriel empfiehlt in der Woche vor der Abstimmung „keinen Schmusewahlkampf, das würde nicht den Erwartungen der Wähler entsprechen“. Gleichzeitig sieht der Politologe derzeit kein Thema, das noch einmal Schwung in den matten Wahlkampf bringen könnte. Auch Stuttgart 21 werde keine Trendwende mehr bewirken: „Wenn Kuhn das Thema stärker spielen würde, würde er Rockenbauch stärken“ – bei Sebastian Turner sei die Position ohnehin bekannt.

Für Bettina Wilhelm wird es schwer

Im Endspurt sei für die Kandidaten nicht nur die Attacke entscheidend, sie müssten auch Fehler vermeiden. Gabriel definiert angesichts der Umfrage einen Korridor für die Kandidaten: Fritz Kuhn könnte zwischen 28 und 34 Prozent der Wählerstimmen erhalten, Sebastian Turner zwischen 25 und 31 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Das Rennen um Platz eins im ersten Wahlgang sei noch lange nicht entschieden. So sieht es auch Infratest dimap: Die Umfrage messe aktuelle Wahlneigungen und kein Wahlverhalten.

Dass die von der SPD nominierte Bettina Wilhelm zu den Favoriten aufschließt, hält Gabriel angesichts der Zahlen für äußerst unwahrscheinlich. „Es ist ihr bisher nicht gelungen, über die Kernwählerschaft der SPD hinaus Wähler zu gewinnen.“