Über das Förderprogramm „Verkehrswacht elektrisiert“ finanzierte das Land Probefahrten mit Elektrofahrzeugen. Doch 90 Prozent der Betreuer dieser Fahrten nutzten die Autos für private Fahrten. Verkehrsminister Hermann findet das in Ordnung – und freut sich darüber.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Klaus Köster (kö)

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verteidigt das mit 400 000 Euro Steuergeld geförderte Projekt „Verkehrswacht elektrisiert“, bei dem der Landesverkehrswacht eine Flotte geleaste E-Autos für Probefahrten durch die Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurde. Zugleich erklärt Hermann, die Fahrzeuge seien in beträchtlichem Ausmaß nicht nur für die Probefahrten genutzt worden, sondern auch privat durch die sogenannten Moderierenden, die die Fahrten betreuen. Hermann rechtfertigt die Privatfahrten unter anderem mit dem Argument, auch durch sie sei das Klima zusätzlich entlastet worden.

 

Moderierende brauchen kein eigenes Auto mehr

Fast 90 Prozent der Moderierenden hätten ein Verbrennerfahrzeug abgeschafft oder auf dessen Nutzung verzichtet, erklärt Hermann in seiner Antwort auf eine Anfrage des Stuttgarter Landtagsabgeordneten Friedrich Haag (FDP). In vier Fällen sei sogar ein zweites Verbrennerfahrzeug abgeschafft worden.

Die private Nutzung sei sogar notwendig, so Hermann. Das Ziel sei dabei die „Befähigung zur kompetenten Informationsvermittlung im Rahmen der Informationsfahrten“. Da die vereinbarten Laufleistungen für die Leasingverträge bei weitem nicht ausgeschöpft worden seien, könne zudem nicht von einer unverhältnismäßig hohen privaten Nutzung ausgegangen werden.

Der Landesrechnungshof hatte im vergangenen Jahr erhebliche Zweifel an dem Programm geäußert, nach dem es ausreicht, wenn die rund 50 Moderierenden pro Monat 20 Probefahrten anbieten. Nach Ansicht der Haushaltswächter stand somit bei dem Programm die „private Nutzung der E-Pkw und nicht die Durchführung von Probefahrten im Vordergrund“. Laut Verkehrsministerium müssen die Moderierenden die Privatfahrten weder bezahlen noch erfassen. Diese Fahrten seien daher ein zusätzlicher Anreiz für die „ehrenamtliche Tätigkeit“ der Moderierenden.

Haag: Privatnutzung nimmt bei dem Programm viel Raum ein

Der FDP-Abgeordnete Friedrich Haag sieht in den Aussagen Hermanns einen Beleg dafür, dass die private Nutzung der E-Autos in dem Programm einen „ganz erheblichen Raum“ eingenommen habe.

Hermann räumt auch ein, dass das Förderprogramm trotz hartnäckiger rechtlicher Bedenken gestartet worden sei. Dabei ging es um die Frage der Zulässigkeit nach EU-Recht, das öffentlicher Förderung strenge Grenzen setzt, wenn diese in den Wettbewerb zwischen privaten Anbietern eingreift. Nach Ansicht des Stuttgarter Wirtschaftsrechtsexperten Ulrich-Peter Kinzl von der Kanzlei BRP Renaud Partner kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit Gewinne abwerfe. Für die Rechtswidrigkeit reiche es in diesem Fall bereits aus, wenn es andere Interessierte gebe, die die subventionierte Tätigkeit ebenfalls ausübten oder ausüben wollten. Dies sei bei Probefahrten der Fall, da diese auch von gewerblichen Autohändlern angeboten werden.

Genehmigung trotz rechtlicher Bedenken

Die Landesverkehrswacht hatte als Antragsteller ein Gutachten erstellen lassen, das die Bedenken ausräumen sollte und auf das sich das Verkehrsministerium bei seiner Genehmigung stützte. In seiner Antwort räumt Hermann ein, dass sich lediglich ein Mitarbeiter in seinem Haus dieses Gutachten zu eigen machte, die anderen ihre Bedenken aber beibehalten hätten, auch wenn sie die Haltung des Gutachtens als „vertretbar“ eingestuft hätten.

Es sei nicht unüblich, dass es bei der „Prüfung komplexer Regelwerke wie dem europäischen Beihilferecht zu unterschiedlichen rechtlichen Auffassungen kommen“ könne. Wirtschaftsrechtsexperte Kinzl hält das Vorgehen gleichwohl für hoch problematisch. Die Gründe, die gegen eine Zulässigkeit der Auszahlung an die Verkehrswacht sprächen, seien von Anfang an ersichtlich gewesen, erklärte er vor einigen Wochen. Er hält es sogar möglich, dass ein Fall strafbarer Haushaltsuntreue vorliegt, weil nicht nur der Landesrechnungshof eine Verletzung des Haushaltsrechts festgestellt habe, sondern auch das Verkehrsministerium selbst von einer mutmaßlichen EU-Rechtswidrigkeit ausgegangen sei.