Wegen der Suche nach Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg müssen am Sonntag rund 2300 Menschen in Gundelfingen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) ihre Häuser und Wohnungen verlassen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Gundelfingen - Es ruhen immer noch gefährliche Altlasten des Zweiten Weltkrieges im Boden. Auch rund um Freiburg, das mehrfach und besonders stark am 27. November 1944 bombardiert wurde. Nun glauben die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes von Baden-Württemberg, dass weitere vier nicht explodierte Fliegerbomben in der Erde liegen, alle unter Straßen am Autobahnzubringer Nord, alle in der Nähe eines Gewerbegebietes und eines Wohnviertels.

 

Schon früher waren Bagger immer wieder auch in der näheren Umgebung auf nicht explodierte Fliegerbomben gestoßen. 1985 wurden solche Blindgänger auf der Gemarkung der nördlichen Nachbargemeinde Gundelfingen gefunden und entschärft, im Jahr 2012 erneut.   Das Regierungspräsidium Freiburg hat 2014 eine gründliche Prüfung veranlasst und daraufhin angeordnet, an vier „Verdachtspunkten“ die Erde abtragen zu lassen. Die Grabungen sind bereits vor Wochen mit schwerem Gerät begonnen worden, das Grundwasser wurde um über viereinhalb Meter abgesenkt, der Straßenverkehr umgeleitet.

Am kommenden Sonntag von 8 Uhr morgens an werden sich Bauarbeiter mit Schaufeln vorsichtig den georteten Objekten nähern. Ob es tatsächlich Bomben sind oder anderes Metall, wird sich dann zeigen. Vorsichtshalber werden jedenfalls zuvor rund 2300 der 11 220 Einwohner von Gundelfingen evakuiert.     „Die meisten machen einen Ausflug, viele sind sowieso im Urlaub“, sagt Peter Ficht, der Hauptamtsleiter im Gundelfinger Rathaus. Die 230 Gewerbebetriebe – Autohäuser, Supermärkte, Handwerksbetriebe – längs des Autobahnzubringers sind sowieso geschlossen. Einige Lokale im sicheren Bereich veranstalten ein „Bombenfrühstück“, in der Festhalle werden Getränke und ein Imbiss angeboten. Knapp 200 Polizisten werden darauf achten, dass alle Bewohner die Gefährdungszone tatsächlich verlassen und im nahegelegenen Mooswald Jogger, Biker und Spaziergänger davon abhalten, sich in Gefahr zu begeben. Die Straßen werden weiträumig komplett gesperrt, ein Polizeihubschrauber wird im Einsatz sein, die Notfalldienste stehen bereit. Eine halbe Million Euro wird die Aktion kosten.

200 Polizisten achten darauf, dass sich niemand in der Gefahrenzone befindet

  Wieso Gundelfingen? Die größte Gemeinde ohne Stadtrecht im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald war vor 70 Jahren, als die letzten Bomben des Krieges fielen, kein strategisches Kriegsziel. Dennoch gab es einen Angriff englischer Flieger am 15. Januar 1945 zur Mittagszeit. „Es war ein Montag, ein trüber Tag mit viel Nebel“ zitiert Hauptamtsleiter Peter Ficht die Ortschronik. „Vielleicht haben die Piloten sich deshalb geirrt, denn der Angriff galt wohl dem Freiburger Industriegebiet Nord und dem Güterbahnhof.“ Das liegt nur einen Kilometer weiter in Richtung Südwesten.

Doch die Bomben amerikanischer Herkunft fielen zu früh oder zu spät – also auf Gundelfingen.   Was damals nicht explodierte und auch später nicht gefunden wurde, kann bis heute Leben gefährden. Etwa, wenn gebaut wird. „Es kann aber auch zu einer Selbstdetonation kommen“, warnt Sven Rasehorn. Der 35-Jährige ist als Feuerwerker beim Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes beschäftigt und für den Einsatz in Gundelfingen verantwortlich. „Die Bomben werden ja nicht besser“, sagt Rasehorn, der das Terrain schon vom Einsatz vor drei Jahren kennt, als im Frühjahr und im Herbst je eine Bombe geborgen wurde. „Das Material rostet und der Sprengstoff kann außer Kontrolle geraten.“

Die Sicherheitszone hat einen Radius von 500 Metern

Ein Mal im Jahr passiert das irgendwo in Deutschland. Dann fliegen die Splitter unter Umständen   mehrere hundert Meter weit. Die   Sicherheitszone um die Gundelfinger Verdachtspunkte hat einen Radius von 500 Metern.   „Nein, wir können nicht sagen: Lasst das mal da liegen“, sagt auch Heinrich Grumber vom Regierungspräsidium und winkt ab. „Wenn wir den Verdacht haben, müssen wir ihm nachgehen.“

Und die Luftbilder zeigen nun einmal Einschläge genau da, wo jetzt gebaggert und gebohrt wird. Die Luftbilder stammen aus Archiven der alliierten Luftwaffen, das Land Baden-Württemberg muss sie für teures Geld kaufen. „Kurz nach dem Krieg hat man alles schnell zugeschüttet“, sagt Rasehorn. Im Wiederaufbau war keine Zeit für Prävention, obwohl man auch da schon ahnen konnte, dass viele Bomben nicht explodiert waren. Experten schätzen den Anteil der Blindgänger auf 15 bis 20 Prozent.

  Seit einigen Jahren wird vor jeder Baumaßnahme in früher bombardierten Gebieten eine Sondierung vorgenommen. 2014 hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst in Baden-Württemberg 13 Bomben entschärft, nach Sindelfingen gebracht, zersägt und der Entsorgung zugeführt. Zwei Teams mit jeweils zwei Spezialisten wird Sven Rasehorn am Sonntag beim Gang zu den Bomben anleiten, eine private Fachfirma wird mit Bergungsgerät und weiteren Spezialisten dabei sein. Vier Bomben auf einmal – wenn es denn welche sind – das ist ungewöhnlich. „Die Dimension ist größer. Aber sonst ist es ein ganz normaler Einsatz“, sagt Rasehorn cool. „Wir sind gut ausgebildet und wir kennen die Feinheiten. Und wir wollen ja alle abends nach Hause fahren.“ Wann genau, ist nicht vorherzusehen, unter Zeitdruck werden die Feuerwerker jedenfalls nicht arbeiten müssen.