Die Wilde Bühne bietet ehemaligen Drogensüchtigen die Möglichkeit, unter ihresgleichen kreativ tätig zu sein. Die Bühne versteht sich nicht als Therapie, sondern eher als Anschluss an einen erfolgreichen Entzug.

Stuttgart - Wenn die vier Schauspieler gleich auf die Bühne gehen werden, dann wissen sie nicht, was sie sagen werden, geschweige denn, wie sich der Abend entwickelt. Auf der Bühne im Kulturwerk werden sie heute improvisieren. Das Publikum gibt den Schauspielern Stichworte, sie reagieren darauf und machen eine Geschichte daraus, mal komisch, mal tragisch. Improvisationstheater gibt es mittlerweile viele, die Wilde Bühne ist aber etwas Besonderes: Wer hier in der Gruppe mit Theater spielen möchte, muss ehemaliger Drogenabhängiger sein.

 

Die beiden Sozialtherapeuten Rolf und Lea Butsch haben vor gut 25 Jahren die Wilde Bühne gegründet. „Ich hatte selbst viel Spaß am Theater und dachte mir dann, dass ich das mit meiner Arbeit als Suchttherapeutin verbinden kann“, sagt Lea Butsch. Die Wilde Bühne versteht sich nicht als Ersatz für eine Therapie, sondern eher als Anschluss an einen erfolgreichen Entzug. „Wir wollen die ehemaligen Abhängigen auffangen und ihnen nach der stationären Therapie eine Möglichkeit zum Austausch geben“, sagt Rolf Butsch.

Die Mitglieder des Ensembles verstehen einander

Michael Seil zum Beispiel spielt seit 1999 bei der Wilden Bühne mit – und kann seitdem ohne Drogen leben. „Mit 14 Jahren habe ich das erste Mal gekifft, mit 16 Jahren das erste Mal Heroin genommen“, erzählt er. Dass er bei der Wilden Bühne als Schauspieler anfangen konnte, hat ihm geholfen clean zu bleiben.

„Theater kann schon eine Ersatzdroge sein“, sagt Gründerin Lea Butsch. „Schließlich hat es auch etwas Berauschendes, auf der Bühne zu stehen.“ Besonders im ersten Jahr nach dem Entzug brauchten die ehemaligen Abhängigen viel Unterstützung. „In der Gruppe versteht man sich untereinander, man kann nachvollziehen, wie es den anderen geht“, sagt Seil. Auch er steht heute auf der Bühne und improvisiert. Über zwei Stunden geht das Stück – und an diesem Abend läuft es besonders gut. Am Ende sind alle ein bisschen berauscht.