Die sudanesische Christin Meriam Yahia Ibrahim ist nach wochenlanger Todesangst überraschend in Rom eingetroffen. Erst bereitete die Regierung ihr und der Familie einen großen Empfang am Flughafen, dann traf sie mit Papst Franziskus im Vatikan zusammen.

Rom - Die Tortur von Meriam Yahia Ibrahim ist zu Ende. Die sudanesische Christin, die von einem Gericht in Khartum wegen des Abfalls vom muslimischen Glauben zum Tod durch den Strang und wegen Unzucht zu hundert Peitschenhieben verurteilt worden war, durfte am Donnerstag mit einer Maschine der italienischen Regierung die sudanesische Hauptstadt in Richtung Rom verlassen.

 

Der italienische Vize-Außenminister Lapo Pistelli war in den Sudan geflogen, um Ibrahim zusammen mit ihrem behinderten Mann und ihren zwei Kindern abzuholen. Die Genehmigung zur Ausreise war nach intensiven diplomatischen Bemühungen sowohl der italienischen Regierung wie des Vatikans zustande gekommen. Auf dem römischen Ciampino-Flughafen wurden Ibrahim und ihre Familie von Premierminister Matteo Renzi empfangen: „Das ist ein Tag der Freude“, sagte der Regierungschef.

  Ibrahim hatte die vergangenen vier Wochen in der US-Botschaft in Khartum verbracht, nachdem sie – trotz der Aufhebung ihres Todesurteils – am 23. Juni vom sudanesischen Geheimdienst an der Ausreise gehindert wurde. Nach einem mehrstündigen Verhör wurde der Ärztin vorgeworfen, das Land mit „gefälschten Dokumenten“ verlassen zu wollen. Ibrahim hatte von der südsudanesischen Botschaft in Khartum einen Pass erhalten, weil ihr an Muskelschwund erkrankter Mann US-Bürger und Südsudanese ist. Nach dem Verhör hatten sie Zuflucht in der Botschaft gefunden.  

Zu 100 Peitschenhieben und zum Tode verurteilt

Bereits vor einem Jahr war Ibrahim auf Betreiben ihres Vaters der Unzucht angeklagt worden, weil ihre Ehe mit dem Christen Daniel Wani nach der sudanesischen Scharia-Gesetzgebung ungültig ist. Als sie während des Verfahrens erklärte, dass sie von ihrer Mutter als Christin erzogen wurde, verurteilte sie das Gericht außer wegen Unzucht zu hundert Peitschenhieben auch noch wegen Abfalls vom muslimischen Glauben zum Tod am Galgen. Das Urteil löste weltweit Entsetzen aus: Die US-amerikanische und mehrere europäische Botschaften in Khartum protestierten gegen den Entscheid, der schließlich Mitte Juni von einem Berufungsgericht in Khartum aufgehoben wurde.   Noch in der Haft gebar Ibrahim im Mai ihr zweites Kind. Weil sie selbst während der Geburt mit Fußketten gefesselt war, kam es zu Komplikationen, die die Ärztin nun befürchten lassen, ihre Tochter könnte behindert sein.

Bis zum letzten Moment musste Ibrahim befürchten, dass aus ihrer Ausreise nichts wird. Die Familie ihres Vaters, der die aus Äthiopien stammende Mutter Ibrahims verlassen hatte, als das Mädchen sechs Jahre alt war, suchte Ende voriger Woche noch ein neues Verfahren einzuleiten, um die Ehe der Ärztin mit Wani für ungültig erklären zu lassen. Damit hätte Wani sämtliche Rechte über die Kinder verloren.  

Auch Papst Franziskus empfing die junge Mutter und ihre Familie kurz nach ihrer Ankunft. Die Begegnung dauerte nach Vatikanangaben gut eine halbe Stunde und fand im „heiteren, herzlichen Klima” statt. Franziskus dankte Ibrahim „für ihr mutiges Zeugnis beim Durchhalten im Glauben”. Sie selbst dankte „für seine große Unterstützung und die Hilfe, die sie durch das Gebet des Papstes erfahren” habe. Für den Vatikan hatte die Begegnung aber auch eine symbolische Bedeutung. Angesichts der Vertreibung von Christen im Irak und der zunehmenden Bedrohung in anderen nahöstlichen und afrikanischen Ländern habe Franziskus, so erklärte ein Sprecher, „seine Nähe, seine Aufmerksamkeit und sein Gebet auch allen anderen zeigen wollen, die unter Verfolgung oder unter Einschränkung der Religionsfreiheit leiden.”