Es ist ein äußerst seltener Behandlungserfolg: Ein neunjähriges Mädchen aus Südafrika, das mit dem HI-Virus infiziert war, gilt als „geheilt“.

Kapstadt - Erstmals ist ein südafrikanisches Kind, das bei seiner Geburt mit dem HI-Virus infiziert worden war, nach einer frühen Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten praktisch „geheilt“ worden. Jedenfalls sind neun Jahre nach der Behandlung des Mädchens in deren Körper keine lebenden HI-Viren mehr festzustellen. Der äußerst seltene Behandlungserfolg wurde auf der am Dienstag zu Ende gehenden 9. Internationalen AidsKonferenz in Paris bekannt gegeben: Es handele sich um einen „sehr interessanten Fall“, sagte Avy Violari, die Kinderärztin an der Johannesburger Witwatersrand-Universität, die das Mädchen betreut.

 

Das nicht namentlich genannte Kind war bereits bei der Geburt mit dem Virus infiziert und in eine medizinische Testreihe aufgenommen worden. Dabei erhielten mehrere Hundert infizierte Babys bereits wenige Wochen nach ihrer Geburt antiretrovirale Medikamente, was damals unüblich war. Eine Gruppe wurde 40 Wochen lang mit den sogenannten Aids-Cocktails behandelt, eine andere Gruppe 96 Wochen, eine dritte Kontrollgruppe erhielt keine Medikamente. Während alle medikamentös behandelten Kinder anschließend eine um 75 Prozent reduzierte Sterberate und eine stark reduzierte Virenzahl vorwiesen, waren bei dem Mädchen bald überhaupt keine HI-Erreger mehr festzustellen: Neun Jahre später ist die junge Südafrikanerin noch immer virenfrei. Allerdings sollen sich in ihren Zellen noch immer Virenreste befinden, was zumindest theoretisch zu einer Neuinfektion führen könnte. In ihrem Blut sind derzeit jedoch keine lebenden Erreger festzustellen, und ihr Immunsystem ist intakt.

Wissenschaftler vermuten auch physiologische Eigenschaften, den den Kampf begünstigen

Weltweit wurde ein derartiger Erfolg bisher nur bei zwei weiteren Kindern und drei Erwachsenen festgestellt. Das 2010 geborene sogenannte Mississippi-Baby erhielt ebenfalls kurz nach der Geburt eineinhalb Jahre lang antiretrovirale Medikamente und war anschließend mehr als zwei Jahre lang virenfrei, bevor seine Virenzahl allerdings dann wieder in die Höhe schnellte. Ein französisches Kind wurde nach der Geburt insgesamt sechs Jahre lang mit Aids-Cocktails behandelt: Die heute 20-Jährige ist nach wie vor virenfrei. Drei erwachsene Infizierte, deren Rückenmark ausgetauscht wurde, zeigten ebenfalls nach der Behandlung keine Viren mehr. Doch in zwei Patienten aus Boston wurden später wieder Erreger festgestellt, während der in Berlin behandelte Timothy Ray Brown noch immer virenfrei ist.

Wissenschaftler sind überzeugt davon, dass die „Heilung“ des südafrikanischen Mädchens nicht allein den Medikamenten zuzuschreiben ist. Vermutlich verfüge ihre Patientin über andere physiologische Eigenschaften, die ihren Kampf gegen die Erreger begünstigten, sagte die Johannesburger Kinderärztin Violari: Welche das sind, ist bislang nicht bekannt. Forscher wissen von Menschen, die vom HI-Virus erst gar nicht angesteckt werden: Sie haben keine Rezeptoren in ihren Immunzellen, an denen die Viren andocken können. Dabei handelt es sich allerdings um weniger als ein Prozent der Bevölkerung – das südafrikanische Mädchen gehört nicht dazu.

In manchen Staaten hat sich die Zahl der Neuinfektionen halbiert

Die Entdeckung ist insofern von Bedeutung, als Forscher derzeit versuchen, die Dauer der Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten bei den Patienten möglichst kurz zu halten. Schließlich reagieren Infizierte oft mit Nebenwirkungen und empfinden die tägliche Einnahme von Pillen als Last. Auch setzen Patienten die Medikamente immer wieder aus eigenem Antrieb ab, was wiederum die Resistenzbildung der HI-Viren begünstigt.

Die Teilnehmer der Pariser Aids-Konferenz lobten die Erfolge, die im Kampf gegen das Virus in jüngster Zeit vor allem in Afrika erzielt worden seien: In manchen der hiesigen Staaten hat sich die Zahl der Neuinfektionen halbiert. „Wenn ich auf eine Region der Welt wirklich stolz bin, dann ist es Afrika“, sagte der UN-Aids-Direktor Michel Sidibé.