Afrikas jüngster Staat kommt nicht zur Ruhe. Bei Stammesfehden sterben bis zu 3000 Menschen. Flüchtlinge leben in grausigen Verhältnissen.

Pibor - In der südsudanesischen Provinz Jonglei sollen in dieser Woche laut örtlichen Behördenangaben mindestens 3000 Menschen bei Stammesstreitigkeiten ermordet worden sein. Die Vereinten Nationen waren bisher von mehreren Hundert Toten ausgegangen. Rund 6000 bewaffnete junge Männer vom Stamm der Lou Nuer, so berichtete der Verwaltungschef der Region Pibor, Joshua Konyi, seien in die Stadt Pibor eingefallen. Sie hätten dort ein Massaker unter dem Volk der Murle angerichtet, denen sie vorwerfen, ihr Vieh gestohlen zu haben.

 

Ärzte ohne Grenzen berichtete, dass ganze Dörfer der Provinz niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht worden seien. Auch zwei Kliniken wurden zerstört, während Zehntausende in den Busch flüchteten. "Es hat einen Massenmord gegeben", klagte Konyi, der selbst dem Volk der Murle angehört. Bisher hätte man über 2000 tote Frauen und Kinder und fast 1000 männliche Leichen gefunden.

Tausende Flüchtlinge kehren zurück

Tausende würden noch vermisst, darunter vor allem Kinder. "Wir brauchen dringend Essen, wir haben nichts mehr", sagte Agod Korok, eine geflohene Mutter, dem US-Nachrichtensender CNN. Sie sei auf der Flucht vor brandschatzenden und mordenden Lou Nuer von ihren Kindern getrennt worden und wisse nun nicht, ob sie noch am Leben seien, so Korok, die derzeit in einer Notunterkunft in Pibor Schutz gefunden hat.

Der Angriff der Lou Nuer endete erst, als die Vereinten Nationen und die Regierung ihre Truppen verstärkten. Die UN entsandte Hunderte Blauhelmsoldaten, die südsudanesische Armee (SPLA) schickte 1500 Soldaten nach Pibor. "Die Regierung hat die absolute Kontrolle über die Region", versicherte Informationsminister Mariel Benjamin Barnaba unterdessen dem britischen Fernsehsender BBC.

Die UN-Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten im Südsudan, Lise Grande, spricht von einer "grausigen Lage" in Pibor. Die nun zu Tausenden in die Stadt zurückkehrenden Flüchtlinge hätten tagelang weder Wasser noch Essen noch ein Dach über dem Kopf gehabt. Vorwürfe, sowohl die UN als auch die SPLA hätten nicht genug zum Schutz der Zivilisten getan, wies sie jedoch zurück.

Massive Hilfsmaßnahmen sind vorgesehen

Kouider Zerrouk, der Sprecher der UN-Blauhelmmission im Südsudan (Unmiss), erklärte, dass das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen bereits Lebensmittelnothilfe in Pibor leiste. Zudem werde ein Team in den nächsten Tagen die Situation der Menschen beurteilen, um weitere Hilfsleistungen und eine Unterstützung der örtlichen Regierung zu koordinieren. Die für humanitäre Angelegenheiten zuständige UN-Organisation OCHA kündigte ein "massives Hilfsprogramm" an, um rund 50.000 von ethnischen Übergriffen betroffenen Menschen zu helfen.

Der Südsudan hatte sich erst im Juli 2011 nach einem Volksentscheid vom Norden abgespalten. Das Land hat nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs kaum Straßen oder sonstige funktionierende Infrastruktur, dafür aber zahllose Waffen und rivalisierende Ethnien und Rebellen. Stammesfehden und Viehdiebstahl sind immer wieder Anlass für blutige Rachefeldzüge.