Die CDU im Südwesten fordert, den im Herbst frei werdenden Posten des Vizechefs der Bundespartei in Baden-Württemberg zu halten.

Stuttgart - Die baden-württembergische CDU will nach dem angekündigten Abgang der Bildungsministerin und Ulmer Abgeordneten Annette Schavan als stellvertretende Parteivorsitzende diesen Posten für sich reklamieren. Das sei „nicht nur aus Prestigegründen“ bedeutsam, sagt zum Beispiel Winfried Mack, einer der drei Stellvertreter von Thomas Strobl als CDU-Landeschef und Vizechef der Landtagsfraktion. Schließlich gehe es um das Führungsgremium der Partei. Dort repräsentiert zu sein sei wichtig.

 

Der Landesvorsitzende der CDU Sozialausschüsse, Christian Bäumler, hatte früh erklärt, die Südwest-CDU müsse die Position für sich beanspruchen. Das sieht auch Fraktionschef Peter Hauk so. Das Amt sollte für Baden-Württemberg gesichert werden, lässt er aus dem Urlaub ausrichten. Mehr aber erst mal nicht, etwa an wen man dabei denken könnte. Darüber habe man noch nicht gesprochen. Auch Annette Widmann-Mauz ist eine Stellvertreterin Strobls, zudem Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, somit eine weitere bundespolitisch sichtbare Frau aus dem Südwesten. Auch sie hält eine angemessene Vertretung der Südwest-CDU auf Bundesebene für nötig, will aber noch keine Namen nennen. Das müssten die Gremien zuerst erörtern.

Taktisches Moment

Von den vier Stellvertretern von Parteichefin Angela Merkel gilt der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier als gesetzt. Er muss 2013 eine Landtagswahl bestehen. Für Ursula von der Leyen aus Niedersachsen scheint allenfalls ihr Wahlergebnis von Interesse. Dass für den ausscheidenden Norbert Röttgen wieder ein Nordrhein-Westfale kommt, ist unumstritten. Und dann wäre Baden-Württemberg dran.

Für Winfried Mack ist klar, wen die Landes-CDU benennen sollte. „Ich meine, dass Thomas Strobl als Landesvorsitzender das größte Gewicht hat.“ Das „drängt sich geradezu auf“. Man brauche eigentlich „gar nicht über andere Namen zu diskutieren“, findet er. Bäumler meint, dass „es direkt auf Strobl zuläuft“. Auch der dritte Stellvertreter Strobls als Landeschef, der Donaueschinger Oberbürgermeister Thorsten Frei, hält seinen Vorsitzenden für geeignet.

Das hat auch eine taktische Komponente, denn vor der Wahl auf dem Parteitag gilt es, bei anderen Landesverbänden zu sondieren und auf Absprachen zu dringen. Etwa bei den mitgliederstärksten Nordrhein-Westfalen, deren Kandidaten gezielt zu unterstützen man anbieten könnte, oder bei den ebenfalls starken Niedersachsen, deren Kandidatin man zu einem guten Ergebnis verhelfen könnte. Als ehemaliger Generalsekretär der Landes-CDU kennt sich Strobl mit solchem Geschäft aus.

Wirkung im Wahlkreis

Räsoniert wird auch im Alb-Donau-Kreis nämlich darüber, was der Rückzug Schavans vom Stellvertreterposten in Berlin für ihren Wahlkreis bedeuten soll. „Wir können das im Moment nicht absehen“, sagt Thomas Schweizer, der Geschäftsführer des CDU-Kreisverbandes an der Donau. Es sei schon so, dass die Region Ulm von den „persönlichen Beziehungen“ profitiert habe, die dieser hohe Parteiposten mit sich bringe. Doch schließlich bleibe Annette Schavan ja Bundesforschungsministerin. Deswegen entstehe wohl „kein Nachteil“.

Annette Schavans Mühen im Wahlkreis

Was bei dieser Einschätzung Hoffnung ist und was Gewissheit, lässt sich schwer sagen. Die Ulmer CDU schützt ihre Bundestagsabgeordnete seit jeher nach außen, doch intern scheinen Schavans Gegner längst die Überhand gewonnen zu haben. Ende Juli vergangenen Jahres ließen die Mitglieder die Bundesministerin bei den Delegiertenwahlen für Landes- und Bundesparteitage glatt durchfallen. Schon 2008, bei der Nominierungswahl für das Abgeordnetenmandat in Ehingen, ließen die Mitglieder Annette Schavan übers Stöckchen springen: 57 Prozent der Stimmen mussten ihr genügen.

Das angekratzte Verhältnis zwischen der Ministerin und den Mitgliedern ist nicht allein ein sachlicher Streit. Vielmehr bestand von Anfang an eine Unnahbarkeit, die keine Seite überwinden konnte. Schavan, die 2005 den Ulmer Wahlkreis zugeschanzt bekam und als Bundestagsabgeordnete dem heutigen Ulmer Landrat und OEW-Vorsitzenden Heinz Seiffert nachfolgte, startete als „Kanzlerflüsterin“. Das war der Deal: Die Ulmer Parteifreunde akzeptierten die – zumindest anfängliche – Bindungslosigkeit Schavans an ihren Wahlkreis und erwarteten dafür, dass die Interessen der Region in Berlin Gehör fänden. Liebesbeziehungen sehen anders aus.

Plagiatsvorwürfe noch ungeklärt

Der Plan ging nie richtig auf. Zu theoretisierend, zu selten vor Ort, so lauteten die Vorwürfe gegenüber der Ministerin. Sie selber schien dagegen nie recht zu verstehen, was man von ihr noch wollte. Seit der verlorenen Landtagswahl ist der Unmut weiter gewachsen. Schavan wird mitverantwortlich für einen Parteikurs gemacht, den viele nicht mittragen wollen. Die Frage vieler lautet mittlerweile: Zieht Annette Schavan die Partei womöglich mit sich in die Tiefe? Dazu tragen vor allem die im Mai bekannt gewordenen Plagiatsvorwürfe bei. Der Promotionsausschuss der Universität Düsseldorf prüft, ob die Ministerin bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben hat. Die Prüfer benötigen nach eigener Auskunft noch weitere Monate, bis ein Ergebnis vorliegt. Offiziell glaubt die Kreis-CDU an die Unschuld ihrer Abgeordneten. Doch eine Überführung Schavans mitten im Bundestagswahlkampf wäre eine Katastrophe.

Im Spätherbst will sich die 57-Jährige zum dritten Mal zur Bundestagskandidatin für den Alb-Donau-Kreis küren lassen und 2013 erneut ins Parlament einziehen. Bis dahin macht sie einmal monatlich „90 Minuten Politik“ im Wahlkreis. Das ist der Titel einer Vortragsreihe mit anschließender Fragerunde, die vergangenes Jahr gestartet wurde. Am Donnerstagabend etwa spricht sie im Gasthaus Rose in Munderkingen.

Ob die Fortsetzung der politischen Karriere so gelingt? Geschäftsführer Schweizer legt sich mit Blick auf das aktuelle Personaltableau auf Schavan fest: „Ich sehe zurzeit überhaupt keine Alternative.“