Die Südwest-CDU will eigentlich mehr Frauen für die Politik gewinnen. In der Praxis werden diese aber immer wieder ausgebremst. Als nächstes bei der Europawahl 2019.

Stuttgart - Nur 23,3 Prozent der CDU-Landtagsabgeordneten, 8,3 Prozent der Bundestagsbgeordneten und 20 Prozent der Europaabgeordneten aus Baden-Württemberg sind Frauen. Nach der Europawahl im Mai 2019 könnte die Frauen-Bilanz der Südwest-CDU noch schlechter aussehen. Denn auf den vier aussichtsreichen Plätzen der Europaliste kandidieren ausschließlich Männer.

 

Das war bei der letzten Europawahl 2014 zwar nicht anders – auch damals waren die Spitzenplätze Männern vorbehalten. Erst auf Platz fünf der Liste war eine Frau nominiert: Inge Gräßle. Doch sollte 2019 die AfD zulegen und die CDU ein weiteres Mandat verlieren, wäre die Heidenheimerin, die seit 2004 dem Europaparlament angehört und seit drei Jahren Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses ist, draußen. Sicher wäre ihre Wiederwahl nur, wenn sie auf der Europaliste der Südwest-CDU aufrücken würde.

Bezirksquote wichtiger als Frauenquote

Doch dafür fehlt es in der Partei an Unterstützung: Wichtiger als eine Frauenquote ist vielen in der Landes-CDU seit jeher der Regionalproporz. Damit die vier Bezirksverbände in Brüssel vertreten sind, bekommt jeder einen der vorderen Plätze auf der Landesliste – die Reihenfolge orientiert sich an der letzten Wahl.

Wenn an diesem Samstag Nordwürttemberg seine Bezirksliste aufstellt, geht Platz eins an Rainer Wieland, den stellvertretender Präsidenten des Europaparlaments. Gräßle wird dann zwar die Nummer zwei. Auf der Landesliste, die am 5. Mai bei einem Landesparteitag gewählt wird, wird sie allerdings nur die Nummer fünf – hinter Wieland, Daniel Caspary (Nordbaden), Andreas Schwab (Südbaden) und Norbert Lins (Südwürttemberg). Von ihnen möchte keiner ein Risiko eingehen.

Gräßle will keine Kampfkandidatur

Gräßle könnte zwar versuchen, sich durch eine Kampfkandidatur nach vorn zu bringen – einige haben ihr auch dazu geraten oder sie gar dazu aufgefordert. Doch die Erfolgsaussichte sind gering. Denn viele in der Südwest-CDU sind genervt, weil die Vorsitzende der Frauen-Union Baden-Württemberg immer wieder darauf pocht, die CDU müsse ihre eigene Satzung endlich ernst nehmen. „Bei der Aufstellung von Listen für Kommunal- und Landtagswahlen, für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament soll das vorschlagsberechtigte Gremium unter drei aufeinander folgenden Listenplätzen jeweils mindestens eine Frau vorschlagen“, heißt es dort. Die Verstöße gegen diese Regelung konterkarieren auch die Kampagne „Frauen im Focus“, die CDU-Landeschef Thomas Strobl nach der verlorenen Landtagswahl 2011 ins Leben gerufen hat.

Mit ihrer Forderung, das baden-württembergische Landtagswahlrecht zu ändern und durch die Einführung einer Landesliste Frauen, Jüngeren und Migranten bessere Chancen auf den Einzug ins Parlament zu verschaffen, hat Gräßle fast die gesamte CDU-Landtagsfraktion gegen sich aufgebracht. Manche Abgeordnete müssten befürchten, dass sie bei künftigen Wahlen nicht mehr ins Parlament kämen. Deshalb beharrt die Fraktion auf dem bisherigen Wahlrecht und streitet seit Monaten darüber mit ihrem Koalitionspartner. Im Koalitionsvertrag hatten Grüne und CDU eine Änderung vereinbart. Ob sie kommen wird oder nicht, soll nun endgültig am 24. April im Koalitionsauschuss entschieden werden.