Seit Daten aus den „Panama-Papers“ öffentlich sind, gehen immer mehr Firmen aus dem Land in die Offensive: Sie erklären, warum sie dort ein Büro haben oder Anwaltskontakte pflegen. Aber es gibt Ausnahmen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Dem Landrat des hessischen Main-Taunus-Kreises ist es nach wie vor schleierhaft, wie er in die Panama Papers geraten konnte – und das auch noch mit der Ortsangabe Stuttgart. „Sie sehen mich vollkommen überrascht“, lautete die erste Reaktion von Michael Cyriax, als der Eintrag in der von einem internationalen Journalistenkonsortium zugänglich gemachten Datenbank bekannt wurde. Ein gewisser Sascha R. war da als Direktor einer möglichen Briefkastenfirma mit Verbindung zu den britischen Jungferninseln ausgewiesen. Seine angebliche Adresse: „Stuttgart, 4c, Landrat des Main, Taunus, Kreises, Hofheim, T.S., Germany.“ Richtig daran ist nur, dass die Kreisverwaltung in Hofheim sitzt. Ansonsten sei „die Verknüpfung dieses Herrn mit der Anschrift des Main-Taunus-Kreises grundlegend falsch“, betont Cyriax‘ Sprecher. Womöglich sei ein Schreiben des Kreises von einer Software erfasst und der Absender mit der Adresse verwechselt worden – so wie man gelegentlich Mahnschreiben aus den USA bekomme, wenn Kreisbürger dort als Temposünder erwischt würden. Das Landratsamt als die den Führerschein ausstellende Behörde werde dann fälschlich in die Pflicht genommen. Man habe den Betreiber der Internetseite aufgefordert, die falsche Verbindung zu entfernen, sagt der Kreissprecher.

 

Tunnelbauer Herrenknecht: keine Briefkastenfirmen

Mit Fragen zu den Panama Papers sehen sich auch immer mehr Unternehmen in Baden-Württemberg konfrontiert. Seit durch das Datenleck vor vier Wochen die Namen von mehr als 200 000 Briefkastenfirmen publik wurden, die von der umstrittenen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca aufgesetzt wurden, gibt es auch im Südwesten mancherorts Erklärungsbedarf. Zwar betont das Konsortium, dass die enthüllten Offshore-Gesellschaften legalen Zwecken ebenso dienen könnten wie zweifelhaften – etwa Geldwäsche, Steuervermeidung oder Betrug. Doch die anrüchigen Motive stehen natürlich stärker im Fokus der Öffentlichkeit. Entsprechend offensiv bemühen sich die meisten in den Dokumenten erwähnten Unternehmen aus dem Land, ihre Panama-Verbindung zu erklären. Ihre Botschaft: bei uns ist alles sauber.

Der Tunnelbauer Herrenknecht aus dem südbadischen Schwanau etwa taucht mit zwei Gesellschaften in den Papieren auf. Beide aber, versichert ein Unternehmenssprecher, seien „definitiv keine ,Briefkasten‘-Konstruktionen“. Bei der „Herrenknecht Tunneling Services Panama Corp“ handele es sich um eine reale, für das Projektgeschäft in Mittel- und Südamerika zuständige Tochterfirma. Sie verfüge über eine ordentliche Geschäftsführung, vom Mutterkonzern sei sie ordnungsgemäß gemeldet, auch steuerlich habe alles seine Richtigkeit. Gleiches gelte für die zweite Panama-Firma, die Fachkräfte für Tunnelbaustellen vermittele. Bei der Gründung der Gesellschaften 2011 habe man auf eine lokale Kanzlei zurückgreifen müssen. Die deutsch-panamaische IHK habe neben anderen Mossack Fonsecca genannt. Für sie habe man sich entschieden, „da sie deutschsprachig war“. Auch dabei sei alles „pflicht- und ordnungsgemäß abgewickelt worden“, betont der Sprecher.

Hansgrohe verweist auf lokale Vorschriften

Auch der Armaturenhersteller Hansgrohe legt großen Wert darauf, „keinesfalls eine Briefkastenfirma“ zu betreiben. Seit 2012 gebe es in Panama ein Büro mit drei Mitarbeitern, die sich um den Vertrieb von Armaturen und Brausen nach Zentralamerika und in die Karibik kümmerten. Lokale Vorschriften verlangten, dass dieses Jahresabschlüsse und eine Steuererklärung vorlegen müsse, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens. Mit der dafür notwendigen rechtlichen Beratung habe man Mossack Fonseca beauftragt, als eine der größten Kanzleien Panamas. Jahresgebühr: 800 Euro. Weitere Geschäftsbeziehungen bestünden nicht. Gleich nachdem durch die Panama Papers die Aktivitäten der Kanzlei bekannt geworden seien, habe die Hansgrohe SE die Geschäftsbeziehung beendet; inzwischen habe das Büro einen anderen Rechtsberater.

Ganz ähnlich erklären die Metabowerke in Nürtingen, warum sie in der Datenbank auftauchen. Der Hersteller von Elektrowerkzeugen, der weltweit in mehr als 120 Länder liefert, gründete 2012 eine Tochtergesellschaft in Panama. Die vier Mitarbeiter hätten den Auftrag, „die Importeure im lateinamerikanischen Markt zu unterstützen“, erläuterte ein Sprecher. Bei der Gründung der Gesellschaft habe man mit Mossack Fonseca zusammengearbeitet. In der Folgezeit habe es lediglich sporadische Anfragen an die Kanzlei gegeben, etwa zu Fragen des Aufenthaltsrechts für Mitarbeiter.

Sohn des S-21-Sprechers: alles legal

Auch ein Sohn des früheren Stuttgart-21-Sprechers Wolfgang Dietrich findet sich in der Datenbank, allerdings im Zusammenhang mit den schon früher bekannt gewordenen „Offshore Leaks“. Die Erklärung dafür: Er habe von 2005 bis 2011 seinen Lebensmittelpunkt in Hongkong gehabt und sei dort auch steuerlich gemeldet gewesen, sagt der Unternehmer Christoph Dietrich. „In dieser Zeit wurden die Offshore-Firmen nach dortigem Recht legal gegründet und betrieben.“ Nach seinem Rückumzug nach Deutschland seien sie ordnungsgemäß liquidiert worden. Sein Steuerberater habe den Sachverhalt mit dem Finanzamt vollumfänglich aufgeklärt. Zu seinem Vater gebe es keine Verbindung. Nur bei seiner 2010 in Deutschland gegründeten Firma CAW Dietrich, die sich um verschiedene Beteiligungen kümmert, sei der Senior einmal aktiv gewesen: Er habe ihn während seines Auslandsaufenthaltes kommissarisch als Geschäftsführer vertreten.

Nur ein Familienunternehmer aus dem Großraum Stuttgart, der sonst nicht die Öffentlichkeit scheut, hielt sich bedeckt. Er bestätigte zwar den Eingang der StZ-Anfrage zu einer in den Panama-Papieren auftauchenden Gesellschaft mit Sitz auf den Seychellen mit dem Namen „Progressive Retirement Plan Limited“, reagierte aber auch auf Nachfrage nicht.