Berlin/Stuttgart - Recht überraschend sind die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema Heimatverbundenheit ausgefallen, die die private Bremer Jacobs University bei 4500 Bundesbürgern durchgeführt hat – Auftraggeber der Studie waren Horst Seehofer (CSU) und sein Ministerium des Innern, für Bau und Heimat. Baden-Württemberg kam im Ranking der Heimatverbundenheit auf den vierten Platz und zwar noch vor Bayern (Platz 5). Das Land liegt auch deutlich über dem Bundesschnitt. Noch wohler fühlen sich allerdings die Menschen im Saarland, in Thüringen und in Mecklenburg-Vorpommern.
Gefragt wurden die Menschen im Hauptteil der Studie gar nicht direkt nach ihren Heimatgefühlen – vielmehr haben der Studienleiter Klaus Boehnke und sein Team indirekt acht Kategorien abgeklopft. Dabei geht es etwa um den Grad der Geborgenheit am Ort, um die soziale Verwurzelung, um aktive Pflege der Heimat oder um die Nähe zu Ort und Landschaft. Baden-Württemberg hat dabei in sieben der acht Kategorien überdurchschnittlich abgeschnitten, wenn auch kaum mit Spitzenwerten. Nur in der Kategorie „Abgrenzung“ gelangte der Südwesten auf Platz 1: Dabei gehe es nicht um die Abwertung anderer, betont Klaus Boehnke, sondern es gehe um Selbstbewusstsein. Soll heißen: Die bayerische „Mia san mia“-Mentalität ist im Südwesten am ausgeprägtesten – man sieht sich hier eher als Vorbild für ganz Deutschland als anderswo.
Am glücklichsten sind die Menschen im Allgäu
Bernd Langner, der Geschäftsführer des Schwäbischen Heimatbundes, findet genau diesen Aspekt mit am spannendsten in der Untersuchung. Denn er erlebe es in seiner Arbeit immer wieder als ungemein wichtig, dass persönliche oder regionale Unterschiede zugelassen würden, weil diese sinn- und identitätsstiftend seien. „Ich finde, dass dieses ‚Abgrenzen statt Ausgrenzen’ zu unserem Land ganz gut passt“, sagt Langner: „Es ist ein Zeichen für positiv verstandene Regionalität, die auch immer Platz für anderes lässt.“
Interessant ist die Studie tatsächlich auch, weil eine Verbindung hergestellt wurde zwischen Heimatverbundenheit und persönlichem Wohlbefinden. Dabei wurden die Antworten auf knapp 100 deutsche Regionen heruntergebrochen, darunter zwölf in Baden-Württemberg. Sicher überraschend: In Baden-Württemberg fühlen sich die Menschen in Ostwürttemberg am wohlsten; bundesweit ist das der starke zweite Platz. Stark unter Schnitt sieht es dagegen in der Region Schwarzwald-Baar aus. Ganz vorne in Deutschland steht, jetzt wieder weniger überraschend, das Allgäu.
42 Prozent der Befragten haben zwei oder mehr Heimaten
„Heimat“ ist allerdings für die befragten Menschen nicht zwangsläufig der Ort, an dem sie gerade leben. Das trifft tatsächlich nur für gut die Hälfte der Menschen zu. Rund 40 Prozent sehen den Ort, an dem sie geboren oder aufgewachsen sind, als ihre eigentliche Heimat an. Und die Studie hat auch gezeigt, dass man nicht nur eine Heimat haben kann: 42 Prozent der Menschen sagten, sie hätten zwei oder sogar noch mehr Heimaten.
Was Heimat überhaupt ist, darüber gibt es heute und in der Geschichte sehr unterschiedliche Konstrukte. In der Romantik etwa war Heimat die ursprüngliche Natur, die aber in einer utopischen Ferne lag. Zur Zeit der Industrialisierung, als viele Menschen unter schwierigen Bedingungen in Städten lebten, war die konkrete Natur in der Nähe dagegen Inbegriff der Sehnsucht. Susanne Scharnowski hat die vielen Wandlungen in ihrem neuen Buch „Heimat“ analysiert – der Untertitel lautet vielsagend „Geschichte eines Missverständnisses“. Bernd Langner betont: Der Heimatbund beschäftige sich weniger damit, was Heimat ist, sondern vielmehr damit, was Heimat noch ausmachen kann. Es geht also immer auch um Verlust. Tatsächlich hat die Studie festgestellt, dass in Regionen, in denen eine „postmoderne Dienstleistungswelt“ dominiert, die Heimatverbundenheit klar schwächer wird.