Kurz vor Beginn der Tarifrunde sieht Südwestmetall-Chef Stefan Wolf die Metall- und Elektroindustrie am Scheideweg. Viele Betriebe könnten sich die hohen Lohnsteigerungen nicht mehr leisten. Heftig rügt er das neue Streikkonzept der IG Metall.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - An diesem Montag will der Vorstand der IG Metall die Forderung für die Metalltarifrunde beschließen. Nach den Vorlagen der regionalen Tarifkommission sind 5,0 Prozent wahrscheinlich.

 

Dies sei viel zu hoch, moniert der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Stefan Wolf. Er verlangt eine Umkehr in der Entgeltpolitik – somit einen „sehr moderaten Abschluss“.

Herr Wolf, alle Jahre wieder gibt es das gleiche Schauspiel: Jedes Mal beklagen die Arbeitgeber eine überhöhte Lohnentwicklung – und dann folgt erneut ein Tarifabschluss, bei dem die IG Metall ihren Spielraum voll ausschöpft. Fühlen Sie sich über den Tisch gezogen?
Das würde ich so nicht sagen. Wir haben in den letzten Abschlüssen Zugeständnisse gemacht, um das Thema zu befrieden. Jetzt sind wir an einem Scheideweg angekommen, wo wir über die langfristige Ausrichtung unserer Mitgliedsunternehmen reden müssen. Wir müssen uns fragen, was wir uns noch leisten können, um die Betriebe in Deutschland zu halten. Die Gewinne werden überproportional im Ausland erwirtschaftet. Es kann nicht auf Dauer funktionieren, dass die ausländischen Standorte die Lohnerhöhungen im Inland subventionieren.
Ist der Druck der Gewerkschaft so stark, dass Sie gar nicht anders können, als hohe Abschlüsse zu tätigen?
Wir haben eine stark arbeitsteilige Wirtschaft, was sich bei Streiks nachteilig auswirkt. Und bei den Warnstreiks hat die IG Metall in der vorigen Tarifrunde erheblich überzogen. Wenn ich Betriebe einen ganzen Tag lahmlege, ist das schon ein richtiger Streik. Da wurde zu einem ganz frühen Zeitpunkt ganz erheblich in die Arbeitsabläufe der Betriebe eingegriffen.
Dann haben Sie den Vertrag unterzeichnet. Haben Sie die IG Metall mit stark gemacht?
Natürlich kann man sagen, dass wir das mit unterschrieben haben – keine Frage. Dennoch muss ich mir Gedanken darüber machen, wie wir die Zukunft gestalten. Es muss möglich sein, Parameter und Sichtweisen zu verändern. Seit dem Jahr 2000 sind die Tabellenentgelte durchschnittlich etwa um 53 Prozent gestiegen – seit 2012 um 14 Prozent. Im Verhältnis zur tatsächlichen Inflation und zum Produktivitätsfortschritt haben wir deutlich mehr verteilt, als wir tatsächlich Spielraum in unseren Betrieben gehabt haben.
Sie haben den in Ihren Reihen umstrittenen Abschluss vor einem Jahr mit verantwortet – mussten Sie sich vor Ihren Verbandsmitgliedern rechtfertigen?
Wir haben deutliche interne Diskussionen gehabt, das muss man klar sagen. Dass sich gerade bei den kleineren und mittleren Unternehmen eine gewisse Verärgerung breit macht, kann ich zu 100 Prozent nachvollziehen. Die sind uns wichtig – das ist das Rückgrat unserer Industrie. Doch die Zahl der Mitglieder, die die Tarifabschlüsse nicht mehr mittragen wollen, steigt. Die IG Metall müsste mal signalisieren, dass sie Verständnis hat für die Situation dieser Unternehmen, die trotz günstiger Bedingungen täglich ums Überleben kämpfen. Die liegen an der Nulllinie oder machen Verluste, wollen aber weiterhin hier in Baden-Württemberg Arbeit anbieten – diese Betriebe kommen in der Bewertung der IG Metall viel zu kurz.