Die Kunstgießerei Strassacker will bis Jahresende mehr als ein Viertel ihrer Stellen streichen – rund 120 von 450. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat werfen der Unternehmensführung Konzeptlosigkeit vor.

Göppingen - Seit mehr als fünf Jahrzehnten fertigen sie jedes Jahr die deutsche Entsprechung zum Oscar: den Bambi. Sie haben eine Bronzestatue nach dem Fuß des Fußballers Uwe Seeler gestaltet, die größte Pferdeskulptur der Welt in Florida gefertigt und natürlich gießen sie die Werke international bekannter Künstler, fertigen Grabschmuck für Bürger und gestalten Skulpturen für Kommunen. Doch so renommiert die Kunstgießerei Strassacker in Süßen auch sein mag, viele ihrer Mitarbeiter fürchten jetzt um ihre Zukunft, denn die Geschäftsführung plant einen massiven Stellenabbau. Aus dem Betriebsrat werden Vorwürfe gegen die Unternehmensführung laut. Die IG Metall kritisiert, die Firmenleitung habe kein Zukunftskonzept.

 

Das Unternehmen plagen finanzielle Schwierigkeiten. Die Geschäftsführung will deshalb bis Jahresende mehr als ein Viertel der Arbeitsplätze streichen, rund 120 von 450. Einzelne Abteilungen, vor allem im Bereich der Serienfertigung, sollen komplett ausgelagert werden. Wohin, diese Frage habe die Geschäftsführung bisher nicht beantwortet, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Surhan Kuscuoglu.

Edith Strassacker verweist auf die Lohnkosten

Das Unternehmen bestätigt die Streichpläne und verteidigt sie. „Wir hängen an unserer Belegschaft“, sagt die Geschäftsführerin Edith Strassacker. Man wolle den Stellenabbau so sozial verträglich wie möglich gestalten, aber er sei unumgänglich, um das Unternehmen wieder dauerhaft auf Kurs zu bringen. Denn die Märkte hätten sich in den vergangenen Jahren sehr gewandelt. Vor allem das Hauptgeschäft, die Gestaltung von Grabmälern, sei rückläufig. Immer mehr Menschen setzten inzwischen auf alternative Bestattungsformen.

Auf der anderen Seite seien die Kosten am Standort stetig gestiegen, vor allem wegen des hohen Personalkostenanteils, berichtet Strassacker. Schließlich mache der Lohnkostenanteil in dem handwerklich geprägten Betrieb mehr als die Hälfte der Produktionskosten aus, doch er müsse die gleichen Löhne und Arbeitszeiten bieten wie Daimler und andere Metallbauer, die viel stärker auf Automatisierung setzen könnten. „In der Vergangenheit konnten wir diesen Nachteil durch innovative Konzepte ausgleichen“, sagt Strassacker. Doch das reiche nicht mehr. Das Unternehmen wolle sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren und sehe da auch „noch viel Entwicklungspotenzial“, vor allem im sakralen Markt sowie im Kunstbetrieb.

Gewerkschaft fordert Gesamtkonzept

Dass sich bei Strassacker etwas ändern muss, sehen auch die IG Metall und der Betriebsrat so. Doch, wie es der IG Metall-Vertreter Pascal Holz ausdrückt, „mit dem Kehrbesen einfach mal so schnell durchwischen und mehr als ein Viertel der Stellen zu streichen, das ist kein zukunftsfähiges Konzept.“ Die Gewerkschaft und der Betriebsrat kritisieren, dass das Unternehmen bisher kein Konzept vorgelegt habe, dass mehr aufweise als die genannten Stellenstreichungen. „Ich habe den Eindruck, da wurde einfach mal geschaut, wie viel Geld gerade fehlt und das wurde dann durch den Durchschnittslohn der Mitarbeiter geteilt, um auf die Zahl der einzusparenden Stellen zu kommen“, sagt Holz.

Was fehle sei ein Konzept, das aufzeige, welche Unternehmensbereiche kostendeckend arbeiteten und auf welche Bereiche man sich konzentrieren wolle, erläutert Holz. Zudem sei schon lange bekannt, dass der Markt sich gewandelt habe. Die Gewerkschaft sei weiter mit dem Unternehmen im Gespräch und versuche, eine Alternative zu entwickeln.

Betriebsrat kritisiert langjährige Verzögerung der Umstrukturierung

Tatsächlich war Strassacker bereits 2008 in Schwierigkeiten. Damals wurde ebenfalls über Entlassungen gesprochen, der Betriebsrat und die Geschäftsführung arbeiteten ein Umstrukturierungskonzept aus. Doch es wurde nicht umgesetzt. Denn just zu diesem Zeitpunkt erhielt das Unternehmen den Großauftrag, Bronzerahmen für Portale der Al-Haram-Moschee in Mekka zu fertigen, die bedeutendste Moschee der Welt. „Der Betriebsrat hat immer wieder gefordert, das Zukunftskonzept nicht zu vernachlässigen“, kritisiert Kuscuoglu. „Aber wir wurden ignoriert.“ Jetzt befürchtet er, dass am Ende womöglich ein Teil der Produktion in ein nicht-tarifgebundenes Unternehmen wandert, Strassacker Project, das Edith Strassacker eigens gegründet hatte, um den Großauftrag in Mekka bewältigen zu können.

„Das wird definitiv nicht passieren“, entgegnet Strassacker. Die Geschäftsbereiche seien komplett unterschiedlich. Klar sei aber auch, dass ein Teil der Produktion künftig an Standorten mit geringeren Lohnkosten produziert werden müsse. Aus ihrer Sicht habe die Firma von dem Großauftrag aus Saudi-Arabien profitiert, schließlich seien die Arbeitsplätze dadurch über einige Jahre hinweg gesichert worden. „Aber natürlich wurden auch viele Kräfte gebunden. Und jetzt müssen wir uns an die Umstrukturierung machen, die damals verschoben wurde.“ Wenn die Gewerkschaft dafür gute Ideen liefere, seien diese willkommen.